Vergrämung von Saatkrähen: LBV warnt vor Abschuss und Scheinlösungen
Dachau: LBV kritisiert Abschüsse von Saatkrähen und Entnahme von Gelegen
Wir sind entsetzt über die jüngsten Maßnahmen zur Vergrämung von Saatkrähen in Dachau und warnen davor, das Töten von Wildtieren zur scheinbar einfachen Standardmaßnahme zu machen, sobald das Zusammenleben mit ihnen als unbequem empfunden wird. Dass die Maßnahmen ausgerechnet während der empfindlichen Phase des Brutgeschehens erfolgt sind, stellt für den LBV einen Tabubruch dar, den auch die angeblich wissenschaftliche Zielsetzung nicht rechtfertigt.

Mit der Genehmigung des Abschusses von bisher rund 20 Vögeln und der Entnahme von 80 Nestern mit Gelege hat die Höhere Naturschutzbehörde Oberbayern eine Rote Linie überschritten. Wir erleben zunehmend, dass bei Spannungen im Zusammenleben mit Wildtieren immer schneller der Ruf nach Abschuss laut wird, anstatt nach Lösungen zu suchen, die auch dem Arten- und dem Tierschutz gerecht werden.
Vergrämungsmaßnahmen können die Situation eher verschärfen statt lösen

Aus unserer Sicht stehen die Abschüsse der Saatkrähen während der Brutzeit und die Entnahme von Nestern mit Gelegen in Widerspruch zum Tierschutz. Die Begründung mit angeblich wissenschaftlicher Zielsetzung überzeugt nicht. Schwer wiegt auch, dass wir als anerkannter Naturschutzverband vorab nicht eingebunden wurden, sondern erst nach mehrfachem Nachfragen von der Ausnahmegenehmigung erfahren haben.
Gleichzeitig äußert der Naturschutzverband Verständnis für die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Landwirtinnen und Landwirte, die durch den Lärm und Kot der Saatkrähen oder Ernteschäden beeinträchtigt sind. Aber Abschüsse und Nestentnahme täuschen den Betroffenen eine Lösung vor, die in Wahrheit keine ist. Die bisherigen Maßnahmen sind reiner Aktionismus – teuer, tierschutzrechtlich bedenklich und langfristig aller Wahrscheinlichkeit nach wirkungslos. Neben den Abschüssen in der Stadt Dachau, sind in den kommenden Wochen auch Tötungen von Jungvögeln im landwirtschaftlichen Umfeld geplant.
Wir gehen davon aus, dass die Vergrämungsmaßnahmen die Situation eher verschärften statt lösen. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass durch solche Eingriffe sogenannte Splitterkolonien entstehen, die zu einer Ausweitung statt Verringerung der Population führen. Man will den Schaden minimieren, produziert aber neue Konflikte.
Ursachen bekämpfen statt Symptome

Für die Artenschützer ist klar: Langfristige Lösungen müssen an den Ursachen ansetzen. Der zunehmende Einzug der Saatkrähen in urbane Räume ist Folge struktureller Veränderungen in der Agrarlandschaft. In der offenen Flur fehlt es den Vögeln an geeigneten, störungsfreien Baumgruppen, wo sie in Kolonien nisten können. Die Vögel weichen daher in Städte aus – oft als letzte Option. Gleichzeitig bieten unabgedeckte Biogas- und Kompostanlagen durch das ganzjährig verfügbare Nahrungsangebot ideale Lebensbedingungen. Hier muss man ansetzen, nicht bei den Tieren selbst. Nicht-letale Maßnahmen ist immer der Vorrang zu geben vor dem Töten der Tiere.
Wir sprechen uns für differenzierte Ansätze aus, die sowohl dem Schutz der Tiere als auch den berechtigten Interessen der betroffenen Menschen gerecht werden, auch wenn die Suche nach Lösungen oft mühselig ist. Diese Haltung vertritt der Verband auch im Umgang mit anderen Arten wie Kormoran, Biber oder Graureiher.
Zunehmend besorgniserregend empfindet der Verband die Tendenz, bei jeder neuen Problemlage reflexhaft Abschüsse zu fordern – oft ohne belastbare Wirkungseinschätzung. Wer geschützte Tiere nur noch als Störfaktor sieht, löst keine Probleme, sondern verschärft sie. Wir tragen Verantwortung gegenüber den Arten. Statt Scheinlösungen braucht es einen sachlichen, pragmatischen Umgang. Dafür müssen wir auch bestehende Denkmuster hinterfragen.
