Kostenschätzung des Lfl geht an der Realität vorbei
Aufrüstung bestehender Weidezäune kostengünstiger als Neubau – Weidehaltung trotz Wolf finanzierbar
Die von der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) veröffentlichte Kostenabschätzung für Weidezäune zur Wolfsabwehr in Bayern in durchschnittlicher Höhe von 327 Millionen Euro ist um ein Vielfaches zu hoch gegriffen. Das würde voraussetzen, dass aktuell keine einzige Weidefläche in Bayern über einen funktionierenden Zaun verfügt und bayernweit Rudel leben.

Natürlich muss in Bayern nicht erst flächendeckend jeder Weidezaun neu angelegt werden. Genau das Gegenteil ist Realität, denn in Bedarfsfällen genügt eine Aufrüstung der bestehenden Infrastruktur zu weit geringeren Kosten. Auch im Vergleich zu anderen Nachbar- und Bundesländern erscheint die Schätzung unrealistisch. Wir kritisieren, dass durch die überzogen erfolgte Kostenschätzung der Öffentlichkeit vorgemacht wird, dass eine Anwesenheit des Wolfs in Bayern bei Weidehaltung nicht finanzierbar sei, und somit der Wolf keinen Platz im Freistaat habe. Wir sind jedoch der Meinung, dass der Wolf für die bayerische Gesellschaft eine machbare Herausforderung und einen Gewinn für die Natur darstellt.
Erfahrungen aus Schweiz und Frankreich zeigen andere Kosten

Im nationalen Vergleich fallen die veranschlagten Zahlen aus dem Rahmen. In Brandenburg, wo 22 Wolfsrudel und 3 Paare leben, beliefen sich die Kosten für die Herdenschutzmaßnahmen 2016 auf 211.000 Euro. In Niedersachsen, wo man 14 Rudel und 2 Paare zählt, waren es im gleichen Jahr 2,2 Millionen Euro. Ohne Kosten funktioniert die Rückkehr des Wolfs nach Bayern sicher nicht, aber um diese für alle möglich zu machen, sind keinesfalls Investitionen im veranschlagten Umfang der LfL nötig.
Im Sonderfall beim Schutz von Weidetieren in der Berglandwirtschaft zeigen vergleichbare Erfahrungen aus der Schweiz, dass dort die jährliche Fördersumme von 85.000 Euro für Zaunverstärkungen nur selten ausgeschöpft wird. Hier zeigt sich in der Praxis des Herdenschutzes, dass sich einfache bestehende Zaunsysteme geringfügig erhöht und elektrisch verstärkt am besten eignen. Diese sind oft mobil und können somit mehrfach verwendet werden. Aus diesem Grund sind in der Schweiz die Zahlungen nicht höher. Dies bestätigte uns die Agridea, Fachstelle für Herdenschutz in der Schweiz.
Der gesamte französische Staat, der Schutzmaßnamen für 360 Wölfe auch im alpinen Bereich verwaltet, gibt für seine Maßnahmen jährlich insgesamt nur 25 Millionen Euro aus. Die französischen Gesamtkosten für den Herdenschutz waren 2015 niedriger, als die für Bayern kalkulierten Folgekosten von 35 Millionen Euro bei Zäunen. Die Kostenschätzung des Landesamts geht daher an der Realität vorbei.
Herdenschutzmaßnahmen sollten nach Bedarf gehandhabt werden
Derzeit ist eine Diskussion über mögliche Gesamtkosten des Wolfsschutzes in dreistelliger Millionenhöhe für die Errichtung von Schutzzäunen und jährlichen Folgekosten ohnehin fehl am Platz. Aktuell hält sich das einzige Rudel aus dem Bayerischen Wald bereits seit längerer Zeit nachweißlich in Tschechien auf, es lebt lediglich ein Wolfspaar in Grafenwöhr, und hinzu kommen nur noch vereinzelte Sichtungen von Einzeltieren im Freistaat.
Herdenschutzmaßnahmen in Bayern mit Zäunen sollten deshalb besser nach Bedarf gehandhabt werden und durch eine Aufrüstung der bestehenden Infrastruktur erfolgen. Auch in nachgewiesenen Wolfsgebieten muss nicht jede Weide wolfssicher eingezäunt werden. Es hängt ja auch davon ab, ob die Weidetiere überhaupt ins Beuteschema passen. Ausgewachsene Rinder und Pferde haben nichts vom Wolf zu befürchten.
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Dr. Andreas von Lindeiner
