Rote Linie überschritten: Wir kritisieren Pläne zum Nationalpark Bayerischer Wald
Flächen aus der streng geschützten Kernzone des Nationalparks zu entnehmen ist ein Tabubruch im bayerischen Naturschutz
Wir sind entsetzt über die Ankündigung der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, zum Schutz vor dem Borkenkäfer Flächen aus der Kernzone des Nationalparks zu nehmen und in die Managementzone zu verschieben.
Diese Pläne sind ein Tabubruch und führen den Zweck eines Schutzgebietes ad absurdum. Wenn man Flächen aus dem Schutz herausnimmt, weil es einem gerade nicht mehr passt, braucht man sie gar nicht erst unter Schutz zu stellen. Die Kernzone des Nationalparks kommt ohne menschliche Eingriffe aus und schützt die Biodiversität vor Ort. Darüber hinaus sind diese Gebiete wichtige Referenzflächen, um zu erforschen, wie sich der Wald im Klimawandel ohne menschliche Eingriffe natürlich entwickelt. Sie sind deshalb auch für Fragen des Waldumbaus außerhalb von Schutzgebieten von Bedeutung.
Der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat kürzlich den Nationalpark Bayerischer Wald besucht und medienwirksam die Bekämpfung des Borkenkäfers gefordert. Die Nationalparkverwaltung identifizierte daraufhin im Falkensteingebiet zwei Flächen mit Fichten, die potenziell vom Borkenkäfer befallen werden können, und will dort nun entsprechende Anpassungen des Schutzstatus vornehmen.
Der Bayerische Wald ist ein Kronjuwel des Naturschutzes
Die Flächen waren erst 2020 zum 50-jährigen Jubiläum des Nationalparks feierlich in die Kernzone aufgenommen worden. Mit der geplanten Maßnahme will der Nationalpark der auch von Politikern geschürten Sorge von Anliegern begegnen, der Borkenkäfer könne sich vom Nationalpark aus in die umliegenden Privatwälder ausbreiten. Die nächstgelegenen Privatwälder liegen gar nicht in Reichweite des Borkenkäfers, wenn dieser die jetzt diskutierten Flächen befallen würde. Die Maßnahme ist aus fachlicher Sicht überhaupt nicht erforderlich. Es ist erschreckend, wie schnell man offenbar bereit ist, die Kronjuwelen des Naturschutzes in Bayern zur Debatte zu stellen.
Gerade weil es sich um vergleichsweise kleine und für die Borkenkäferproblematik im gesamten Bayerischen Wald unbedeutende Flächen handelt, zeigt die Diskussion, dass es nicht um sachorientierte Lösungen vor Ort geht. Wir befürchten, dass hier ein Präzedenzfall geschaffen wird, Naturzonen in einem Nationalpark beliebig zu verändern. Es ist äußerst bedauerlich, dass im Bayerischen Wald nun alte Debatten gezielt angeheizt werden, die letztlich den Sinn des Nationalparks in Frage stellen.
Hintergrundinformation
Der Nationalpark Bayerischer Wald ist der älteste Nationalpark Deutschlands und das größte Waldnaturschutzgebiet der Bundesrepublik. In ihm soll sich die Natur ungestört entwickeln können. Ein Befall durch den Borkenkäfer ist für den Menschen ein schwieriger, aber letztlich natürlicher Prozess, der im größten Teil des Nationalparks längst stattgefunden hat. Die Natur hat darauf hervorragend reagiert: Überall wächst junger, vitaler Wald nach. Von diesen Erkenntnissen profitiert auch die Forstwirtschaft.