Rauchschwalben in Gefahr: Hygiene-Vorgaben setzen Landwirte unter Druck

Lebensmittelkonzerne müssen Naturschutz ernst nehmen – Nester von Rauchschwalben sind ganzjährig geschützt

Die ersten Rauchschwalben verlassen Bayern und ziehen jetzt im Spätsommer in den Süden Afrikas. Die ortstreuen Vögel werden auch im kommenden Jahr wieder in ländliche Gegenden mit offenen Scheunen, Ställen und verwinkelten Gebäuden zurückkehren, um dort zu brüten. Doch Hygiene-Vorgaben der Lebensmittelindustrie machen den gefiederten Glücksboten das Leben schwer. Supermarktketten fordern nämlich von landwirtschaftlichen Betrieben auch im Freistaat Zertifikate wie GLOBALG.A.P. und International Food Standard (IFS) ein, bei denen Nester von Rauchschwalben entfernt werden sollen. Die Nester von Schwalben sind ganzjährig durch das Bundesnaturschutzgesetz geschützt und dürfen nicht entfernt oder zerstört werden!

Rauchschwalbe am Nest mit Jungen | © Dieter Hopf © Dieter Hopf
Supermarktketten fordern von landwirtschaftlichen Betrieben Zertifikate ein, bei denen Nester von Rauchschwalben entfernt werden sollen. Doch das ist verboten.

Die Vorgaben der Zertifizierungsstellen bringen Landwirtinnen und Landwirte nun in Bedrängnis, die Nester illegal abschlagen zu müssen. Wir fordern, dass Lebensmittelkonzerne, die gerade in den letzten Jahren mit mehr Artenvielfalt und Nachhaltigkeit werben, ihrer Verantwortung im Naturschutz auch gerecht werden.

Aufforderungen der Supermarktketten verstößt gegen Bundesnaturschutzgesetz

Erwachsene Rauchschwalbe sitzt vor dem Nest mit zwei Jungvögeln darin | © Dr. Olaf Broders © Dr. Olaf Broders
Es gibt aus hygienischen Gründen keinen Grund für Bedenken, denn Landwirtinnen und Landwirte können Vorkehrungen gegen Verunreinigungen treffen

Uns ist aus Landwirtschaftskreisen zugetragen worden, dass es im Obst- und Gemüsebau zu derartigen Problemen kommt. Externe Zertifizierungsstellen würden Landwirtinnen und Landwirte darauf hinweisen, alle Nester aus Hallen zu entfernen, auch wenn sich diese nicht direkt über Produkten befinden. Die Zertifizierungsstellen beziehen sich dabei auf die weltweit anerkannten Standards von GLOBALG.A.P. und IFS. Diese Aufforderung widerspricht allerdings dem Bundesnaturschutzgesetz. Das Abschlagen der Nester ohne Genehmigung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Sind im Nest bereits Eier oder Jungvögel vorhanden, handelt es sich sogar um eine Straftat.

Dabei gibt es aus hygienischen Gründen keinen Grund für Bedenken, denn Landwirtinnen und Landwirte können Vorkehrungen treffen, damit kein Kot auf die Lebensmittel gelangt. In vielen Ställen gelingt das bereits. Befinden sich die Nester zum Beispiel über dem Futtertrog oder in der Milchkammer, lässt sich mithilfe von Kotbrettern eine mögliche Verunreinigung erfolgreich verhindern. Mit diesen Kotbrettern oder durch Abdeckungen lassen sich auch gelagertes Obst und Gemüse schützen.

Generell können Vögel, insbesondere die nesttreuen Schwalben, nicht gänzlich ferngehalten werden. Ein landwirtschaftlicher Betrieb kann sich doch nicht vollständig gegen die Natur abschotten. Und hinsichtlich der Hygiene-Vorgaben müssen nur die richtigen Maßnahmen ergriffen werden.

Landwirte in der Zwickmühle: Zwischen Naturschutz und Zertifizierung

Sechs junge Rauchschwalben sitzen mit aufgerissenen Schnäbeln im Nest | © Ralph Sturm © Ralph Sturm
Rauchschwalben sind Teil der bayerischen Kulturlandschaft und durchaus beliebte Gäste auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben

Die Landwirte und Landwirtinnen werden aus unserer Sicht in eine Bredouille gebracht, weil sie auf die Zertifizierungen wie GLOBALG.A.P. und IFS angewiesen sind. Discounter wie Aldi und Lidl, aber auch Supermärkte wie EDEKA und Rewe fordern diese ein. Haben Lebensmittelproduzenten diese Zertifizierungen nicht, bleiben sie möglicherweise auf ihren Produkten sitzen. Es darf nicht sein, dass sich Landwirtinnen und Landwirte gezwungen fühlen, die Nester zu entfernen oder die Vögel fernzuhalten, weil sie Angst haben, sonst keine Zertifizierung zu bekommen.

Eine von uns angeforderte Stellungnahme an die GLOBALG.A.P. resultierte in einer eher nüchternen Aussage, dass bestehende Nester nicht zu entfernen seien, aber neue Nester nach Außen an die Fassade gelenkt werden müssten. Dies ist für Rauchschwalben naturgemäß jedoch gar nicht möglich, da diese in Deutschland fast ausschließlich in Gebäuden brüten. Zudem kritisieren wir auch, dass auch in den Zertifizierungsbüros eine gewisse Unwissenheit hinsichtlich Artenschutzmaßnahmen herrscht.

Schwalben gehören zur Landwirtschaft dazu

Rauchschwalben und andere Vögel sind Teil der bayerischen Kulturlandschaft und durchaus beliebte Gäste auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben. Ihre Rückkehr im Frühling kündigt die neue Saison an. Als Insektenfresser sind sie nützlich beispielsweise, weil sie Fliegen im Stall fressen. Für die Aufzucht einer Rauchschwalbenbrut wird rund ein Kilogramm Insektenmasse verfüttert, das entspricht 150.000 Fliegen und Mücken. Durch das Insektensterben hat es die Rauchschwalbe ohnehin schon immer schwerer, genügend Nahrung zu finden und steht deswegen auf der Vorwarnliste der bayerischen Brutvögel.

Hintergrund

Bereits nach der Einführung der EU-Futtermittelhygieneverordnung im Jahr 2006 forderten Behörden, Nester von Schwalben aus hygienischen Gründen aus den Ställen zu entfernen – zum Ärger und Entsetzen der Landwirtinnen und Landwirte. Das Umweltministerium stellte damals richtig, dass die Verordnung keine Rechtsgrundlage für ein Schwalbenverbot oder die Entfernung von Schwalbennestern im Stall darstellt. 2017 wurde das Thema erneut aufgegriffen, nachdem der LBV Hinweise von Landwirtinnen und Landwirten erhalten hat. Unter anderem durch die Aufklärungsarbeit des LBV wurde dieses Thema in die Öffentlichkeit getragen. Auch der Milchprüfring äußerte sich daraufhin positiv zum Umgang mit Schwalben.

 

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© Markus Bosch

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