Erstmals zwei Bartgeier-Burschen für Bayern: „Wiggerl“ und „Vinzenz“ erobern die Alpen

LBV und Nationalpark Berchtesgaden wildern zum vierten Mal zwei junge Bartgeier aus – ab sofort Geier in der Felsnische per Live-Webcam beobachten

Die Geier sind wieder los. Zum vierten Mal haben der LBV und der Nationalpark Berchtesgaden heute zwei junge, noch nicht flugfähige Bartgeier in einer Felsnische im Klausbachtal erfolgreich ausgewildert. Das Besondere in diesem Jahr: Zum ersten Mal konnten zwei Männchen aus dem europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerk für die deutsche Auswilderung zur Verfügung gestellt werden.

Bartgeierauswilderung 2024 | © Markus Leitner © Markus Leitner
V.l.n.r: Toni Wegscheider (LBV), David Schuhwerk (LBV), Landrat Bernhard Kern, LBV-Vorsitzender Dr. Norbert Schäffer und Ministerpräsident Dr. Markus Söder mit dem jungen Bartgeier Wiggerl.

Bei einem Festakt verkündete der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder feierlich die Namen der beiden Vögel „Wiggerl“ und Vinzenz“. Seit 2021 konnten nun bereits acht Bartgeier ausgewildert werden. 140 Jahre nachdem der Mensch sie ausgerottet hat, fliegen die gefährdeten Giganten nun wieder durch die Lüfte der deutschen Alpen. Das Gemeinschaftsprojekt ist auf mindestens zehn Jahre angelegt und soll die zentraleuropäische, alpine Population und dabei vor allem die Wiederansiedlung dieser seltenen Vogelart in den Ostalpen entscheidend unterstützen.

Erstmals zwei Männchen ausgewildert

In den drei ersten Projektjahren wurden bereits fünf Bartgeier-Damen und ein Männchen ausgewildert. "Wir freuen uns, dass wir nun erstmals gleichzeitig zwei Männchen vom internationalen Bartgeierzuchtprogramm für unsere Auswilderung erhalten haben, nachdem wir bisher fast ausschließlich Weibchen in den Nationalpark entlassen haben. Es ist bemerkenswert, mit welchem Einsatz Naturschützerinnen und Naturschützer aus verschiedenen Ländern sich dafür einsetzen, dass der Bartgeier in Europa wieder heimisch wird", betont der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Der finnische „Wiggerl“ ist im Zoo von Helsinki geboren und „Vinzenz“ stammt aus der Richard-Faust-Bartgeier-Zuchtstation im österreichischen Haringsee.

Mit Bavaria, dem 2021 ausgewilderten Bartgeier, ist bereits ein Vogel des Projekts ganz in der Nähe des Nationalparks sesshaft geworden. Sie hat dort möglicherweise bereits ein Revier gegründet, in dem fremde Weibchen bald nicht mehr geduldet werden. Potenzielle Brutpartner sind entscheidend für den Erfolg des Wiederansiedlungsprojekts. „Die Projektvögel können auf ihren Flügen durch den europäischen Alpenraum auch andere wildlebende Bartgeier kennenlernen und sich mit ihnen verpaaren. Bartgeier sind erst mit 5 bis 7 Jahren geschlechtsreif. Meist dauert es auch einige Jahre bis eine Brut glückt. Vor 2030 rechnen wir deshalb noch nicht mit Bruterfolg in den deutschen Alpen“, sagt der Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.

David Schuhwerk mit Wiggerl neben Markus Söder | © Markus Leitner © Markus Leitner
Ministerpräsident Dr. Markus Söder verkündet den Namen von Bartgeier "Wiggerl".

Beim offiziellen Festakt, bei dem Bartgeier-Fans aus ganz Deutschland und aus weiten Teilen der Alpenregionen versammelt waren, gratulierte im Kreis der geladenen Gäste auch der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder.

„Die Bewahrung der Schöpfung und der Artenschutz sind unsere Verpflichtung. Die Auswilderung von Bartgeiern ist ein einzigartiges Naturschutzprojekt. Bartgeier sind faszinierende Tiere. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie in den Alpen ausgerottet, heute beläuft sich die Population auf 300 Exemplare. Die Taufe von „Wiggerl“ und „Vinzenz“ war ein ganz besonderer Moment der Freude und Demut. Herzlichen Dank an den LBV und alle Ehrenamtlichen für das großartige Engagement und die Leidenschaft. Komme immer sehr gern in den wunderschönen Nationalpark Berchtesgaden“, sagt Ministerpräsident Dr. Markus Söder.

Bayerische Namen für die neuen Bartgeier

David Schuhwerk mit Wiggerl und Magdalena Deelmann mit Vinzenz | © Markus Leitner © Markus Leitner
Beim Festakt wurden die Geier Wiggerl (links) und Vinzenz (rechts) der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der finnische Vogel wurde per Luftfracht nach Wien transportiert. Am Vortag der Auswilderung ging es dann gemeinsam mit dem Bartgeier aus der nahegelegenen Zuchtstation Haringsee per Auto weiter nach Berchtesgaden. Heute wurden beide Greifvögel von den Expertinnen und Experten des Nationalparks und des LBV erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Der österreichische Bartgeier erhielt den Namen „Vinzenz“. Dieser Name wurde von der Nationalparkverwaltung für die Gemeinde Ramsau vergeben – nach dem Schutzpatron der Nationalparkgemeinde, den sie auch im Wappen trägt.

Der in Finnland geborene Junggeier trägt nun den Namen „Wiggerl“, die Koseform von Ludwig. Er wurde von Familie Kainz aus München vergeben, die langjährige und großzügige Spender des LBV sind. Da seit dem Vorjahr bereits eine „Sisi“ in den Alpen segelt, soll sich nun ein „Ludwig“ zu ihr gesellen. Der Name orientiert an der bayerischen Geschichte. So war Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn die Großcousine des Märchenkönigs Ludwig II. von Bayern.

Aufstieg in die Auswilderungsnische

Anschließend setzten die Nationalpark- und LBV-Mitarbeitenden die beiden noch nicht flugfähigen Junggeier in Tragekisten und trugen sie auf Kraxen den Berg zur Auswilderungsnische hinauf. „Nach dem geglückten Aufstieg haben wir unsere beiden neuen Schützlinge in zuvor vorbereitete Nester aus Fichtenzweigen und Schafwolle gesetzt. Anschließend wurden den Vögeln die GPS-Sender angelegt, sie wurden noch einmal untersucht und erstes Futter aus Rehknochen in der Nähe platziert. Direkt danach haben wir uns zurückgezogen, um den beiden Geiern eine gute Eingewöhnung in ihre neue Heimat zu ermöglichen“, erklärt LBV-Projektleiter und Bartgeierexperte Toni Wegscheider.

In der Felsnische auf 1.300 Metern Höhe werden die 88 und 89 Tage alten Bartgeier von nun an ohne menschlichen Kontakt weiter aufwachsen und ihre Flügel trainieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden die Vögel in den kommenden Monaten rund um die Uhr von einem nahegelegenen Beobachtungsplatz aus und durch installierte Infrarotkameras und einen Livestream überwachen. „Die durchgehende Beobachtung ermöglicht uns, Unregelmäßigkeiten sofort zu erkennen. So können wir den beiden Vögeln einen optimalen Schutz bieten“, so Toni Wegscheider. Das Auslegen von Futter ohne direkten menschlichen Kontakt erfolgt je nach Bedarf im Abstand von mehreren Tagen.

Jungfernflug in den nächsten Wochen

Der selbständige erste Ausflug der beiden Vögel dürfte nach ausgiebigen Flugübungen in etwa vier Wochen stattfinden. „Dann sind ihre Flügel stark genug, um mit einer Spannweite von bis zu 2,90 Metern ihre rund fünf Kilo Körpergewicht in die Luft zu heben“, sagt Ulrich Brendel. Danach werden sie noch bis in den Spätsommer in der näheren Umgebung der Felsnische im Nationalpark anzutreffen sein, bevor sie dann endgültig aufbrechen, um den europäischen Alpenraum zu erkunden. Bis dahin legt das Team bei Bedarf weiterhin Nahrung aus und überwacht die Bartgeier.

Live-Webcam in Felsnische

Wie sich die beiden Bartgeier-Jungs entwickeln und wie sie ihre ersten Flugübungen machen, kann jede und jeder im Internet verfolgen. Über die weltweit einzige Bartgeier-Live-Webcam werden die Geschehnisse in der Auswilderungsnische übertragen. In den darauffolgenden Monaten und Jahren kann auch der weitere Lebensweg der beiden Vögel mitverfolgt werden. Dank der GPS-Sender auf den Rücken der Vögel können Interessierte auf einer Karte beobachten, wo die Bartgeier künftig unterwegs sind.

 

Das Bartgeier-Projekt

Logo Bartgeierprojekt

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) der Zoos junge Bartgeier ausgewildert.

Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogelschutz) und dem Nationalpark Berchtesgaden gemeinsam initiiertes und betreutes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der deutschen Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem Tiergarten Nürnberg die alpenweite Wiederansiedelung.

Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen.

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© Gunther Zieger

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