Trägerkreis Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern im Sommer

Was hat das Volksbegehren Artenvielfalt gebracht?

Licht und Schatten nach fünf Jahren

Seit dem 1. August 2019 gilt in Bayern ein neues, besseres Naturschutzgesetz. Das hat der historische Erfolg des Volksbegehrens Artenvielfalt – „Rettet die Bienen!“ vor fünf Jahren hervorgebracht. Das große Ziel war und ist es, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen und unsere Landschaften wieder zu beleben. Fünf Jahre nachdem das neue Gesetz durch den Landtag verabschiedet wurde, ziehen wir als einer der vier Träger eine erste Bilanz.

Dramatik des Artensterbens noch präsent, aber Verbesserungen sichtbar

Große Blaue Holzbiene (Xylocopa violacea)  | ©  Dr. Eberhard Pfeuffer © Dr. Eberhard Pfeuffer
Große Blaue Holzbiene

Noch erleben wir im Freistaat keine Trendumkehr beim Verlust der Biologischen Vielfalt. Nach wie vor sind viele Arten gefährdet oder vom Aussterben bedroht, wie die aktuellen Roten Listen gefährdeter Arten darlegen. So gelten laut Roter Liste von 2021 51 Prozent aller Wildbienenarten als gefährdet. Auch der im März 2023 zum ersten Mal veröffentlichte „Bericht zur Lage der Natur“ bestätigt die Dramatik des Verlusts der Artenvielfalt, insbesondere auf Äckern und Grünlandflächen.  

Dennoch haben sich in Bayern seit dem Volksbegehren die Voraussetzungen für die Förderung der Artenvielfalt deutlich verbessert. Die Ausweitung und Verbesserung der Agrarförderprogramme, die bessere personelle Ausstattung der Naturschutzbehörden sowie Leuchtturminitiativen wie der Bayerische Streuobstpakt wären ohne das Volksbegehren nicht möglich gewesen.

Die mediale und politische Aufmerksamkeit, die das Volksbegehren erreicht hat, ist einzigartig und hat zu einem größeren Bewusstsein für das Artensterben in der Bevölkerung geführt. Diese Grundlagen müssen genutzt werden, um eine Veränderung in der Landschaft zu bewirken, damit die Maßnahmen, die durch das Volksbegehren initiiert wurden, den Verlust der Biologischen Vielfalt aufhalten. An einigen Stellen können wir heute schon positive Effekte für Bayerns Natur beobachten.

Erfolge im Waldnaturschutz

Naturnaher Buchenwald in der Rhön | © Dr. Eberhard Pfeuffer © Dr. Eberhard Pfeuffer
Seit dem Volksbegehren wurden 7.200 Hektar Staatswald zusätzlich aus der Nutzung genommen.

Eine erfreuliche Entwicklung zeigt sich in den bayerischen Wäldern: Aktuell sind insgesamt rund 83.000 Hektar Staatswald rechtsverbindlich und dauerhaft als Naturwald ausgewiesen. Sie unterliegen damit keiner forstlichen Nutzung und werden einer natürlichen Entwicklung überlassen (Prozessschutz). Dies entspricht 10,6 Prozent des Staatswalds oder 3,2 Prozent der Gesamtwaldfläche Bayerns. Seit dem Volksbegehren wurden dafür 7.200 Hektar zusätzlich aus der Nutzung genommen.

Kritisch zu sehen ist in diesem Zusammenhang das Hineinrechnen von insgesamt ca. 12.000 Hektar Latschenkiefergebüsch, in denen schon immer kein Holzeinschlag vorgesehen war.

Naturwälder und Waldschutzgebiete sind ein wichtiger Baustein, um das Ökosystem Wald als gesamtes gesund und artenreich zu erhalten. Auf einem Großteil der Fläche brauchen wir naturnah bewirtschaftete klimastabile Wälder mit einem hohen Wert für die Biodiversität, die uns als Holzlieferant dienen. Dort sollte beispielsweise der Anteil von stehendem und liegendem Totholz erhöht, eine vielfältige Altersstruktur geschaffen und auf eine Vielfalt der Baumarten Wert gelegt werden.

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Biotopverbund schwächelt

Schild Naturschutzgebiet | © Nicole Friedrich © Nicole Friedrich
Viele FFH- und Naturschutzgebiete sind in einem schlechten Erhaltungszustand

Eine weitere Vorgabe des Volksbegehrens an die Staatsregierung ist der Aufbau eines landesweiten Biotopverbundes, also eines Netzwerks ökologisch wertvoller Biotope in einer Landschaft. 15 Prozent des Offenlands sollen bis 2030 vernetzt sein, das Zwischenziel von zehn Prozent bis 2023 ist laut Angaben der Staatsregierung bereits erreicht.

Der Biotopverbund wird derzeit über elf Flächentypen definiert, von denen ausgehend der Verbund entwickelt werden soll. Dazu zählen beispielsweise Naturschutzgebiete, FFH-Lebensräume und geschützte Naturdenkmäler, aber auch Flächen des Vertragsnaturschutzprogramms und ausgewählte Maßnahmen des Kulturlandschaftsprogramms genauso wie Flächen der Biotopkartierung und Ausgleichs- und Ersatzflächen.

Die Qualität der derzeit in den Biotopverbund eingerechneten Kernflächen schwächelt jedoch aufgrund des schlechten Erhaltungszustands vieler FFH-Lebensräume, veralteten Daten der Biotopkartierung sowie mangelnder Umsetzung von Maßnahmen auf Ausgleichs- und Ersatzflächen.

Damit der Biotopverbund auch tatsächlich einen Mehrwert für den Erhalt der Artenvielfalt liefern kann, müssen die Kernflächen in einen guten Zustand versetzt werden und insgesamt ein Zuwachs an Strukturen und artenreichen Lebensräumen in der Landschaft entstehen.

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Beeindruckende Fortschritte im Bereich Streuobstwiesen

Streuobstwiese mit Salbei-Glatthaferwiese | © Franziska Wenger © Franziska Wenger
Bei Streuobstwiesen konnten bisher viele Erfolge erzielt werden

Erfreulicher sieht es hingegen beim Erhalt und Aufbau von Streuobstflächen aus. So wurde im Oktober 2021 infolge des Volksbegehrens der „Bayerische Streuobstpakt“ verabschiedet, der den aktuellen Streuobstbestand in Bayern erhalten helfen soll und bis 2035 zusätzlich die Anpflanzung von einer Million Streuobstbäume fördern will.

Hier konnten bereits beeindruckende Fortschritte erzielt werden:

  • Fördersätze für Pflanzung und Pflege von Streuobstbäumen wurden deutlich verbessert
  • Anstieg von geförderten Pflegemaßnahmen und Baumpflanzungen zu verzeichnen.
  • bayerischen Baumschulen produzieren  mehr Hochstamm-Obstbäume
  • Entstehung von mehr Ausbildungsplätze für Streuobst-Baumpfleger.
  • In ganz Bayern sind 27 Streuobstmanagerinnen und -manager im Einsatz, die vor Ort Ansprechpartner für Fragen zum Thema Streuobst sind.

Ob es bereits mehr Streuobst gibt, wird im Herbst 2024 die offizielle Bestandsmeldung zeigen. Trotz allem stellen Spätfröste und trockene Sommer sowie die Ausbreitung der Mistel weiterhin eine Gefährdung für unsere Streuobstwiesen dar. Für diese müssen die Akteure des Streuobstpakts Lösungen finden. Mehr zum Thema

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Verbindliche Gewässerrandstreifen werden vielerorts schon umgesetzt

Gewässerrandstreifen | © Maximilian Sehr © Maximilian Sehr

Viel diskutiert wurden auch die mit dem Volksbegehren verbindlich eingeführten Gewässerrandstreifen von mindestens fünf Metern Breite (von der Uferlinie). Sie sollen Bodenerosion bei Hochwasser oder Starkregen verhindern und Nährstoffe sowie Feinmaterial zurückhalten. Als Puffer vor Pestiziden und Düngemitteln tragen sie zur Verbesserung der Wasserqualität bei. Die Acker- und Gartenbaunutzung ist dort untersagt.

Derzeit ist in rund 85 Prozent der Landkreise die Ausweisung der Gewässerrandstreifen abgeschlossen. Vielerorts werden sie bereits umgesetzt. Naturnahe Gewässerrandstreifen sind auch für den Erhalt und die Vernetzung vielfältiger Lebensräume wichtig. Wenn auf ihnen blühende Hochstaudenfluren oder Gehölze entstehen dürfen, bieten sie Lebensraum für Vögel, Spinnen, Amphibien und zahlreiche Insekten. Dann können sie als lineare Elemente Lebensräume in ganz Bayern verbinden und somit zum Biotopverbund beitragen.

Auf Grünland jedoch ist eine intensive Nutzung nicht ausgeschlossen. So gibt es keine Einschränkung zur Schnitthäufigkeit und der Abstand zum Gewässer für die Ausbringung von Dünger und Gülle ist je nach Hangneigung und Ausbringtechnik unterschiedlich geregelt.

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Ausbau Ökolandbau weit hinter gesteckten Zielen

Kühe auf einer Weide. | © Adobe.Stock © Adobe.Stock

Eine weitere Konsequenz aus dem Volksbegehren ist der Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Bayerns bis 2030. So hat sich zwar der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen auf staatlichen Flächen seit 2019 erhöht, die Fördersätze für den Ökolandbau sind gestiegen und es findet ein Ausbau der Öko-Modellregionen statt.

Insgesamt liegt jedoch der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche derzeit bei 13,4 Prozent (Stand 31.12.2022) und damit noch weit hinter dem gesteckten Ziel zurück. Auch auf den staatlichen Flächen wird der Zielwert von 30 Prozent für das Jahr 2020 bislang nicht erreicht.

Ein Hebel, um den Ökolandbau zu fördern, ist eine Steigerung von Bio-Produkten in öffentlichen Kantinen. Bisher liegen jedoch keine Daten dazu vor, wie groß der Anteil biologischer Produkte in bayerischen Kantinen ist. Eine verbindliche Quote von 50 Prozent Bio-Produkten beim Einkauf öffentlicher Lebensmittel sowie Verbraucheranreize für Bio-Produkte wären weitere zielführende Maßnahmen, um den Ökolandbau zu fördern.

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Reduktion von Pestiziden unklar

Pestizide | © Thomas Staab © Thomas Staab

Ein damit eng verbundenes Thema ist die infolge des Volksbegehrens definierte Halbierung des Einsatzes von Pestiziden bis zum Jahr 2028. Laut einem Bericht des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums dazu sei der Pestizideinsatz laut Hochrechnungen im Jahr 2022 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2018 um 19 Prozent gesunken. Wirklich aussagekräftig ist diese Angabe allein allerdings nicht.

Wichtig wäre in diesem Zusammenhang eine Bewertung, die die Giftigkeit der Wirkstoffe berücksichtigt. Der derzeit von der Staatsregierung dafür verwendete Indikator wird in Fachkreisen stark kritisiert, weil er hochwirksame und giftige Pestizide kaum berücksichtigt und durch sinkende Verkaufszahlen von nicht mehr genehmigten Stoffen stark beeinflusst wird. Auch bleibt unklar, wie die Halbierung erreicht werden soll.

Um hier eine Wirkung zu erzielen, müssten möglichst große Flächen pestizidfrei oder Kulturen, in denen ein Verzicht auf Pestizide vergleichsweise einfacher ist, komplett pestizidfrei bewirtschaftet werden. Auch Pufferzonen um Schutzgebiete würden ökologisch einen großen Mehrwert bringen. Mehr zum Thema

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Gesamtzustand der Wiesen im Freistaat schlecht

Bunte Blumenwiese |  © Dr. Christoph Moning © Dr. Christoph Moning

Arten- und strukturreiches Dauergrünland wie Wiesen oder Weiden wurde durch das Volksbegehren unter Biotopschutz gestellt. Über die Entwicklung dieses Biotoptyps kann jedoch keine Aussage getroffen werden, da die Biotopkartierung nur schleppend vorangeht und keine ausreichenden Daten liefert.

Darüber hinaus wurde durch das Volksbegehren festgelegt, dass zehn Prozent des bayerischen Grünlands erst nach dem 15. Juni gemäht werden sollen. Dieses Ziel wurde 2023 bayernweit erstmals erreicht und ist damit ein Erfolg des Volksbegehrens. Der Gesamtzustand der Wiesen im Freistaat ist jedoch weiterhin schlecht. Die EU hat Deutschland sogar vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, da es blütenreiche Wiesen in Natura-2000-Gebieten nicht ausreichend schützt.

Zu frühe und zu häufige Mahd, Düngung und die Umwandlung von Grünland in Siedlungs- oder Ackerflächen gefährden die wertvollen Wiesen. Um artenreiches Grünland zu bewahren, sind Maßnahmen wie spätere Mahd, zeitversetzte Mahd, höhere Schnitthöhen und das Belassen von ungemähten Streifen wichtig. Mehr zum Thema

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Lichtverschmutzung

Lichtverschmutzung | © Dr. Olaf Broders © Dr. Olaf Broders

Ein weiterer Ansatz des Volksbegehrens war die Lichtverschmutzung. So wurden die Kommunen in die Pflicht genommen, die Beleuchtung öffentlicher Gebäude nach 23 Uhr auszuschalten. Eine stichprobenartige Überprüfung bayerischer Innenstädte zeigt, dass die meisten Städte diese Vorgaben einhalten. Die Stichprobe umfasst jedoch keine Gemeinden.

Hier ist davon auszugehen, dass die Umsetzung geringer ist als in Städten, da in kleinen Gemeinden die technischen Hürden zur Umsetzung häufig größer sind. Die Reduzierung der Beleuchtung öffentlicher Gebäude ist aber nur ein erster Schritt, um die negativen Folgen der Lichtverschmutzung zu reduzieren. Es kann an vielen weiteren Stellen auf unnötiges nächtliches Kunstlicht verzichtet werden oder die Beleuchtung insektenfreundlich gestaltet werden.

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Wie geht es weiter? Wir bleiben dran!

Von Anfang an hatte sich der Trägerkreis des Volksbegehrens aus ÖDP, LBV, den Grünen und der Gregor Louisoder Umweltstiftung dazu verpflichtet, die Umsetzung der neuen Ziele und Gesetze genau zu beobachten und zu evaluieren. Für ein wissenschaftliches Monitoring wurde ein Team von Experten um Prof. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen beauftragt. Die Daten für die Bewertung der Indikatoren stammen zu einem großen Teil aus Landtagsanfragen und liefern quantitative Werte zur Einschätzung der Zielerreichung. Darüber hinaus ist jedoch eine Bewertung der Qualität der durchgeführten Maßnahmen notwendig.  

Die Ergebnisse der jährlichen Untersuchungen können Sie hier einsehen.

Wie Sie selbst etwas zur erfolgreichen Umsetzung des Volksbegehrens beitragen können, erfahren Sie hier.

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