Was tut sich bei unseren älteren Bartgeiern?

Sommergrüße aus den Alpen

Während sich die beiden jüngsten Burschen weiterhin prächtig entwickeln, streifen unsere anderen in Berchtesgaden ausgewilderten Bartgeier nach wie vor entdeckungsfreudig in den weitläufigen Alpengebirgen umher.

Einige Vögel bleiben ihren bereits seit längerer Zeit bewohnten Habitaten treu, andere erkunden dagegen auch neue Areale – wie uns individuelle Beobachtungen des Monitoring-Teams sowie GPS-Daten und aktuelle Sichtungs-Meldungen unserer Kollegen in den benachbarten Projektländern bestätigen.

Dagmar und Wildvogel |© Ostinelli Orlo © Ostinelli Orlo
Dagmar zusammen mit einem jüngeren Wildvogel im August 2024, Blenio

Bavaria – Sommerurlaub im Nationalpark

Bavaria | © Lorenz Kerler © Lorenz Kerler
Bavaria am 18.06.24, Funtenseetauern

Bavaria, unsere älteste (inzwischen im 4. LJ), hat in den letzten Jahren ihre Sommeraufenthalte in den Hohen Tauern (2022) und am Dachstein (2023) verbracht, wohingegen sie die Wintermonate über jeweils im wildreichen Hagen- und Tennengebirge blieb, phasenweise in Gemeinschaft mit Artgenossin Recka.

Nun waren wir schon sehr gespannt, wohin es die Bartgeier-Dame in ihrem vierten Sommer ziehen würde – doch Bavaria scheint es zu Haus am besten zu gefallen und so wechselte sie Mitte Mai lediglich ins benachbarte Blühnbachtal, das bereits im Frühjahr intensiv von Recka und Nepomuk (zum Teil gemeinsam) erkundet worden war. Hier hält sie sich hauptsächlich im hinteren Talbereich sowie im direkt angrenzenden Steinernen Meer und Nationalpark-Gebiet auf. Die abgelegene und nur schwer zugängliche alpine Sommerresidenz bringt es mit sich, dass wir in den vergangenen Monaten kaum Sichtungs-Meldungen von Bavaria erhalten haben (das letzte aktuelle Foto stammt vom 18. Juni 2024) – doch konnten wir sie im August sogar selbst bei bestem Flugwetter im südlichen Hagengebirge beobachten.

Hatte Bavaria Besuch?

Bavaria | © Kilian Frühholz © Kilian Frühholz
Hier ein schon bekanntes Bild von Bavaria vom Mai 2024

Im Frühsommer erreichten uns hingegen mehrere Meldungen eines subadulten, vermutlich wildgeschlüpften Bartgeiers, der sich einige Zeit im Nationalpark und im Tennengebirge aufhielt.

Der fremde Besuch, der etwa in Bavarias Alter sein dürfte, konnte bei aktuellen Sichtungen zwar nicht mehr nachgewiesen werden – nachdem Bavaria aber bereits im letzten Winter des Öfteren zusammen mit einem damals zweijährigen Wildvogel beobachtet wurde, bestätigt diese Entwicklung eine durchaus berechtigte Zuversicht, dass sich unsere erstausgewilderte Bartgeier-Dame in den nächsten Jahren nahe des Nationalparks oder einem der angrenzenden Nachbartäler auf Dauer niederlassen und hoffentlich mit einem Partner für Nachwuchs sorgen wird.

Recka wieder in Gesellschaft in den Hohen Tauern

Recka und Wildvogel |© Ingemar Wibmer © Ingemar Wibmer
Recka und Wildvogel im Juni 2024, Osttirol. Die Markierungen in der linken Hand- und Armschwinge sind noch sichtbar.

Bavarias ehemalige Mitbewohnerin Recka bleibt ihrem alteingestammten Terrain in den Hohen Tauern weiterhin treu – wobei sie emsig die vielen Täler rund um den Großglockner befliegt. Aufgewachsen in den Bayerischen Alpen, zieht die gebürtige Spanierin nun schon länger im Dreieck der Kärntner, Osttiroler und Salzburger Berge umher - weshalb es auch für das Monitoring-Team mitunter schwierig ist, sie zu erwischen. Umso schöner war da ein Ereignis Ende Juli, bei dem das Team eigentlich gerade den Rückkehrer Nepomuk im Blick hatte und sich (bei zugegeben schlechten Sichtverhältnissen) schließlich über die merkwürdige und dann wieder nicht vorhandene Färbung des „Mukls“ wunderte. Kaum bemerkt und schon verschwunden, waren plötzlich drei Bartgeier im Spektiv.

Gepflegte Freundschaft

Recka im Flug |© Christoph Dietmaier © Christoph Dietmaier
Recka im August 2024, Felbertauern

Nepomuk flog dort zusammen mit Recka und einem weiteren wildgeschlüpften, jungem Bartgeier. Dieser vermutlich einjährige wilde Bartgeier wurde vom Beobachtungs-Team als der Vogel identifiziert, der bereits im Mai und womöglich ebenso im Juni gemeinsam mit Recka gesichtet wurde.

Sie befindet sich in den Hohen Tauern also in allerbester Gesellschaft. Nepomuk und Recka wurden in den vergangenen Monaten sowohl von den Projekt-Kollegen in Österreich als auch vom LBV-Monitoring-Team regelmäßig beobachtet - die GPS-Daten zeigen außerdem, dass die beiden auch immer wieder mal für eine gewisse Zeit zusammen unterwegs sind.

Nepomuk auf Heimatbesuch – vorübergehende Burschen-WG

Nepomuk |© Heiner Korneck © Heiner Korneck
Nepomuk im Juli 2024, Stilfser Joch.

Vielflieger Nepomuk verbrachte den ersten Teil des Sommers hauptsächlich im Grenzgebiet zwischen Schweizer Nationalpark, dem Norditalienischen Livingo-Tal sowie dem benachbarten Nationalpark Stilfserjoch. Wie die anderen unserer in den Alpen umherstreifenden Bartgeier zog es ihn Mitte Mai in seine Sommerresidenz, die ihm offensichtlich sehr gut gefiel – kein Wunder, denn besonders die Gegend um das Stilfserjoch ist schon länger als Bartgeier-Hotspot bekannt. Mehrere Reviere in der Region ziehen wiederum Jungvögel an, die sich in dem attraktiven Gebiet aufhalten. Auch in Livigno sind die Bartgeier seit Jahrzehnten etabliert - im angrenzenden Schweizerischen Nationalpark wurden vor mehr als 30 Jahren die ersten dortigen Bartgeier ausgewildert.

 

 

Nepomuks Rückreise

Nepomuk |© Markus Leitner © Markus Leitner
Nepomuk überfliegt im August 2024 im Krumltal einen Gänsegeier

So bekamen wir mehrere Sichtungsmeldungen von Nepomuk (s. Foto), oft in Gemeinschaft mit anderen Bartgeiern und waren etwas wehmütig gespannt, wie lange er seinen Aufenthalt in der Ferne noch genießen würde – als er Mitte Juli (zur Freude des Projekt-Teams) zunächst ins Österreichische Ötztal und anschließend ins Stubaital übersiedelte. Dort wurde er vom Monitoring-Team bereits gesichtet, bevor er Ende Juli den Rückweg in die Hohen Tauern fand und umgehend auf seine alte Bekannte Recka traf. Im August überraschte er uns ganz passend im Tal der Geier, wo er an einem schönen Sonnentag zusammen mit vielen Gänsegeiern und zwei Adlern über die Hügel des Krumltals streifte (s. Foto).

Nepomuk auf Heimatbesuch – vorübergehende Burschen-WG

Nepomuk Wiggerl und Vinzenz |© Petra Küster © Petra Küster
Nepomuk mit Vinzenz und Wiggerl am 29.08.24, Halsalm

Danach beflog er einige Zeit das Fuscher- und Kaprunertal – von dort ist es quasi nur ein Katzensprung in die Heimat der Berchtesgadener Alpen und plötzlich war „der Mukl“ wieder in der Halsgrube. Dass die zwischenzeitlich längst wieder bezogen war, konnte Nepomuk nicht wissen – ebenso verblüfft und anfangs sichtlich unerfreut schienen die jetzigen Bewohner Vinzenz und Wiggerl über den unerwarteten Besuch zu sein.

Da gab es einige durchwachsene Auseinandersetzungen zwischen den drei Burschen, wobei es hauptsächlich um ganz bestimmte Hirschläufe ging, die mehrfach den Besitzer wechselten. Der Unmut war zu Beginn eindeutig bei den Jüngsten gegeben, doch verzupfen wollte sich der Nepomuk nicht und nach ein paar Tagen hatte sich die temporäre Herren-WG in der Halsgrube im wahrsten Sinne des Wortes „zusammengerauft“.

Das friedliche Miteinander war erfreulich zu beobachten und die drei Bartgeier kreisten oft gemeinsam über den Beobachtern - ein wunderschöner Anblick. Fast hätten wir uns gewünscht, „der Mukl“ würde bleiben, doch nach einer Woche zog es ihn wieder fort in die Hohen Tauern, wo er ab und an mit Recka um die Berggipfel segelt.

"Zusammenraufen" in der Halsgrube

Nepomuk und Wiggerl |© Christian Steiger © Christian Steiger
Nepomuk und Wiggerl beim "zusammenraufen" in der Halsgrube, August 2024

Sisi und Dagmar erkunden (teilweise gemeinsam) die Schweizer Alpen

Sisi im Flug |© Franziska Abeggle © Franziska Abeggle
Sisi Mitte Juli 2024, Lötschental

Ob es die Harmonie am Berchtesgadener Auswilderungsplatz mit sich bringt oder die Bartgeier grundsätzlich eher gesellige Individuen sind, lässt sich nur vermuten – erstaunlich ist in jedem Fall, dass es nach der Begegnung unserer beiden Wahl-Schweizerinnen Dagmar und Sisi im Mai nicht beim einmaligen Treffen blieb.

Wie bereits berichtet, übersiedelte Sisi schon im Frühsommer in die Schweizer Alpen. Da sowohl die Schweizer als auch die französischen Berge weitaus dichter von Bartgeiern besiedelt sind, als unsere heimischen Ostalpen, dürfte die Zusammenkunft der beiden Berchtesgadener Vögel eigentlich ein Zufall gewesen sein – scheinbar jedoch mit nachhaltigem Eindruck. Bis auf ihren kurzen Ausflug mit Dagmar zum Mont-Blanc Massiv, verbrachte Sisi die Sommermonate meist südlich des Thunersees in den Berner Alpen zwischen Kander-, Kien- und Lötschental. Dies liegt nahe der Leone-Gruppe, wo Dagmar Mitte Juli gerade im hinteren Formazzatal zugange war. Am Monte Leone trafen sich die beiden dann erneut und waren dort vier Tage lang gemeinsam unterwegs, ehe Sisi wieder in ihr vorheriges Domizil zurückkehrte, wo sie sich aktuell noch immer aufhält. Nur wenige Stunden vor dem Treffen der Bartgeier-Damen, gelang einer Beobachterin dieses tolle Foto (s. unten). Die größere Population in den westlichen Zentralalpen lässt vermuten, dass Sisi und Dagmar ohnehin des Öfteren auch in Begleitung anderer Artgenossen unterwegs sind.

 

 

Teilweise Senderprobleme bei Dagmar

Dagmar im Flug |© Ostinelli Orlo © Ostinelli Orlo
Dagmar Mitte August 2024, Blenio. Ihre Federmarkierungen sind noch gut zu erkennen.

Eine aktuelle Meldung von Dagmar mit wunderschönen Fotos, die wir im August von den Schweizer Kollegen erhalten haben, bestätigt diese Annahme. Lange hatten wir nichts von ihr gehört und auch der GPS-Sender übermittelt seit einiger Zeit aufgrund technischer Probleme leider nur spärliche Daten. Doch zu unserer Freude ist „die Daggi“ in bester Verfassung und, wie hier zu sehen, einfach viel beschäftigt.

Anfang Juli machte sie für einige Tage einen Ausflug nach Frankreich südlich vom Mont Blanc und besuchte ihr bereits vertraute Gefilde im Nationalpark Vanoise und Gran Paradiso. Danach war sie im Italienisch-Schweizerischen Grenzgebiet zwischen Monte Leone und Nufenenpass unterwegs – und im August ging es dann nach Osten ins Engadin mit einem Abstecher zum Schweizer Nationalpark. Ihren kurzen Besuch im Lechtal Mitte September haben wir leider verpasst, doch wir bleiben dran und hoffen weiter, dass der Ostwind die Dagmar bald auch mal wieder in die Regionen ihrer Kinderstube weht.

 

Silke Moll (mit Unterstützung von David Schuhwerk)

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