Statusbericht 5/24 - Heftiger Wintereinbruch, zahlreiche Begegnungen und sonstige Entwicklungen
Plötzlicher Wintereinbruch fordert die Tiere und das Team
In den letzten Wochen ist ja so einiges passiert, wie den aufmerksamen Leserinnen und Lesern des Bartgeierforums bzw. Blogs nicht entgangen sein dürfte.
Der markante Wintereinbruch, der für die Tiere (und das Team) einige Herausforderungen bereitstellte, bewirkte, dass sich die beiden jungen Bartgeier in den darauffolgenden Tagen im Vergleich etwas weniger entdeckungsfreudig zeigten.
Der rapide einziehende Herbst fordert das Monitoringteam und das Fütterungsregime muss an das weiter andauernde Verbleiben von Vinzenz und Wiggerl in der Halsgrube angepasst werden.
Heftiger Wintereinbruch
Ein paar Tage nach dem äußerst erfreulichen Besuch von Nepomuk in der Halsgrube (Informationen und Bilder dazu hier und hier) kam es ab dem 12.09. zu einem eindrucksvollen Wintereinbruch.
Solche Ereignisse finden in den Hochlagen der Alpen im August oder September relativ regelmäßig im ein oder anderen Jahr statt, die Dauer und die verhältnismäßig niedrige Schneefallgrenze überraschten dann aber doch.
Kurzzeitig verschollen
Die beiden Jungvögel segelten am Vortag bei schönem Wetter ins westliche Steinerne Meer, wo sie sich bis zu diesem Zeitpunkt häufiger gerne herumgetrieben hatten. Das ist für das Projektteam generell nicht ganz einfach, weil in diesem Bereich großflächig keine Netzabdeckung vorhanden ist und daher keine Positionsdaten übermittelt werden. Somit war in den ersten Tagen nicht klar, wo exakt sie sich aufhielten. Vermutet wurde aber, dass sie dort am Hochplateau eingeschneit und durch den andauernden Niederschlag „festgehalten“ wurden.
Schwierige Rückkehr
Nach drei Tagen Ungewissheit gab es die erste kurze Beobachtung von Wiggerl am 15.09. im Klausbachtal und auch Vinzenz schickte eine Positionsmeldung aus einem Nachbartal.
Wir legten derweil in Erwartung auf eine baldige Rückkehr der beiden an einem vertretbar zu begehenden zusätzlichen Futterplatz ausreichend Nahrung aus.
Es folgte allerdings ein weiterer Tag ohne Beobachtung oder Meldung ehe beide am 17.09. lokalisiert werden konnten. Wiggerl hatte allerdings offensichtlich Probleme mit durchnässtem Gefieder und mangelnder Thermik aus einem Waldbestand am Talboden, in dem er sich längere Zeit befand, aufzusteigen. Er machte aber sonst einen agilen Eindruck, allerdings war die letzte bestätigte Nahrungsaufnahme da schon ca. 8 Tage her. Am nächsten Tag folgte dann die Erleichterung, beide waren zurück in der Halsgrube, flogen ausgiebig und konnten sich am ausgelegten Futter bedienen.
Perfekter Wetterschutz
Besonders wichtig ist unter solchen Bedingungen die ausgiebige Gefiederpflege durch putzen und Einfetten mit dem Sekret der Bürzeldrüse. Beide zeigen das überlebenswichtige Verhalten ausgiebig und beschäftigen sich ausführlich mit dieser Tätigkeit.
Bartgeier sind durch ihr Gefieder perfekt an die mitunter widrigen Bedingungen im Hochgebirge angepasst: Das Konturgefieder schützt hervorragend vor Wettereinflüssen wie Sonne, Wind und Schnee bzw. Regen (und ermöglichen natürlich ihren perfekten Segelflug) und das darunterliegende Dunenkleid hält sie auch bei eisigen Temperaturen gut warm.
Flugverhalten und verhaltener Entdeckungsdrang
Die Flugfähigkeit der beiden an sich ist hervorragend, beide fliegen viel und auch in höheren Zonen, allerdings fällt auf, dass sich seit der Schlechtwetterperiode die weiteren Ausflüge deutlich reduziert haben und dass wieder vermehrt kürzere Flugzeiten vorherrschen.
Wiggerl beispielsweise hatte vorher schon relativ weite Distanzen zurückgelegt, war im Westen am Wilden Kaiser und im Süden schon kurz vor den Hohen Tauern.
In den untenstehenden Grafiken ist der Vergleich von Wiggerls Flugaktivitäten vor und nach dem Wintereinbruch zu sehen.
Es scheint, als hätte die frühe und heftige Erfahrung der winterlichen Bedingungen erst einmal für eine Reduktion des Entdeckungsdrangs gesorgt.
Möglicherweise spielt hier aber auch das verhältnismäßig wechselhafte Wetter mit einer überschaubaren Anzahl an Tagen mit hervorragenden Thermikbedingungen eine gewisse Rolle.
Vergleich des Flugverhaltens von Wiggerl vor und nach dem Wintereinbruch
Vergleich der Ausflugszeiten unserer anderen Jungvögel.
Hier ein Vergleich des jeweiligen Datums, an dem unsere andern Jungvögel die Halsgrube verließen. Sisi und Dagmar waren Mitte bzw. Ende September schon weg, Bavaria zog Mitte Oktober weiter. Recka und Nepomuk verließen die Nationalparkregion zuerst ebenfalls Ende September bzw. Anfang Oktober, kehrten dann aber jeweils noch einmal zurück und suchten sich erst im Dezember neue Winterhabitate.
Wally blieb recht lange im Nationalpark, hielt sich aber während der letzten Wochen überwiegend am Watzmann auf und nutzte dortige, natürliche Futtervorkommen.
Anpassung des Futterprocederes
Diese Entwicklung ist allerdings unbedingt notwendig, um Erfahrungen bei der Nahrungssuche und der richtigen Habitatwahl zu sammeln und einen erfolgreichen Abnabelungsprozess zu beschreiten.
Gemäß der Übereinkunft innerhalb der Wiederansiedlungsprojekte werden wir natürlich auch noch weiterhin Nahrung an den Futterplätzen auslegen, solange sich die beiden in der Region aufhalten.
Allerdings gilt es nun noch mehr als vorher, die Nahrung unentdeckt und ohne Verbindung zu menschlichen Aktivitäten auszulegen. Außerdem werden wir die etablierten Futterplätze um mehrere zusätzliche, geeignete Stellen erweitern, um keine Gewöhnungseffekte aufkommen zu lassen und das Suchverhalten weiter zu fördern. Dies bedeutet natürlich einen erheblichen, zusätzlichen Aufwand für das Fütterungsteam.
Viele Kontakte mit Steinadlern, Kolkraben und Rabenkrähen
Die Steinadler sind nach wie vor sehr präsent. Neben dem allgegenwärtigen Klausbacher Revierpaar sind ab und an auch fremde Jungvögel unterwegs (Das Klausbacher Pärchen hatte heuer keinen Bruterfolg). Heftige physischen Konfrontationen sind in der vergangenen Zeit allerdings eher selten geworden, des Öfteren sind die Begegnungen verhältnismäßig neutral.
Vor einigen Tagen kam es allerdings zu einer unerwarteten Meldung eines Steinadlermonitoringteams, dass am Untersberg beim Beobachten unterwegs war: Dort war Wiggerl aufgetaucht und lieferte sich gleich einen Luftkampf mit dem Weibchen des Ettenberger Reviers. Wenig später tauchte er allerdings wieder in der Halsgrube auf, wo er vom Monitoringteam und einer der umgekippten Fotofallen registriert wurde.
Das Steinadlerprojekt im Nationalpark Berchtesgaden besteht übrigens schon seit gut 40 Jahren und ist in dieser Hinsicht weltweit sicherlich einzigartig.
Katz und Maus mit den Rabenvögeln
Neben den Steinadlern kommt es häufiger auch zu Konfrontationen mit Rabenkrähen und Kolkraben. Während diese am Boden auch an den Futterplätzen weitegehend toleriert werden, geht es im Luftraum etwas ruppiger zu. Die Rabenvögel hassen durchaus ab und an auf die beiden großen Jungvögel, häufig drehen Vinzenz und Wiggerl den Spieß jedoch um und jagen die frechen schwarzen Nachbarn quer durch die Halsgrube.
Herbstliches Monitoring
Die niedrigeren Temperaturen und der häufige Niederschlag machen das Monitoring vor Ort immer anspruchsvoller. Das Team leistet großartiges, denn die in den vergangenen Tagen häufigen, feucht-kühlen Bedingungen sind nicht einfach. Schlechte Sichtbedingungen durch starke Bewölkung und Nebel stellt die Beobachterinnen und Beobachter oftmals auf die Geduldsprobe.
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von David Schuhwerk,