Statusbericht 5/23 - Flugspiele und weitere Besuche

Beide Junggeier zeigen eine großartige Entwicklung ihrer Flugfähigkeiten und einige spannende Besuche in der Halsgrube

Nepomuk | © Markus Leitner © Markus Leitner
Von Aug zu Aug mit Nepomuk

Ein wichtiger Bestandteil des Auswilderungsprojekts ist das lückenlose Monitoring vor Ort. Hierbei werden die ausgewilderten Jungvögel rund um die Uhr beobachtet und sämtliche Aktivitäten nach einem international standardisierten Aufnahmeprotokoll aufgenommen. So kann die Entwicklung und das Verhalten begleitet und dokumentiert werden. Außerdem kann etwaigen Fehlentwicklungen entgegengewirkt und Probleme können frühzeitig erkannt werden. Unsere Beobachtungen wollen wir natürlich auch mit Euch teilen und veröffentlichen in loser Reihenfolge neue Informationen an dieser Stelle.

Wir möchten wieder einen Kurzbericht zur aktuellen Situation abgeben und einige Entwicklungen der letzten Tage zusammenfassen.

Die Flugstrecken und Ausflüge werden an manchen Tagen weiter und erstmals haben sie schon für kürzere Ausflüge den Nationalpark verlassen.
Im Vergleich verläuft die Entwicklung grob gesagt inzwischen recht ähnlich zum letzten und vorletzten Jahr. Auch der Beginn der Explorationsphasen fand dort zu ähnlichen Zeitpunkten statt. Zusätzlich war einiges los in der Halsgrube, das wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten.

Die großartige Entwickklung ihres Flugverhaltens

Sisi im Flug |© Günter Angermeier © Günter Angermeier
Vom majestätischen Segelflug bis hin zu artistischen Flugmanövern - beide haben rasant dazugelernt

Die Flugfähigkeiten nehmen kontinuierlich zu, wobei beide schon ein großartiges Niveau erreicht haben. Dies beinhaltet alle Aspekte, von der Flugdauer, den Entfernungen bis hin zu den Flugtechniken.

Ein besonders artistisches Manöver konnte nun schon von mehreren Teammitgliedern beobachtet werden: seitliches Rollen im Flug! Beide zeigten diesen Trick nun schon mehrmals und auch scheinbar ohne besonderen Grund. (Im Ernstfall kann so eine schnelle Rolle natürlich mal besonders hilfreich sein, beispielsweise um den spitzen Klauen einer Steinadlerattacke zu entgehen). In jedem Fall ein phantastisches Beispiel dafür, dass Bartgeier nicht nur hervorragende Segler sind, sondern auch großartige Flugkunststücke beherrschen.  

Die Erforschung des umliegenden Gebirgsraums hat begonnen

Flugroute Nepomuk |© D. Schuhwerk, LBV © D. Schuhwerk, LBV
Die eindrucksvolle Flugroute, die Nepomuk und Sisi das erste mal zu den Leoganger und Loferer Steinbergen führte

Erstaunlicherweise hat Nepomuk angefangen, etwas regelmäßiger die Halsgrube zu verlassen und sich den gegenüberliegenden Hochkalterstock einmal angeschaut. Das erste Mal fand dies am 14.08. statt. Im Zuge dessen flog er schon mehrere Male den gesamten, von Nord nach Süd streichenden Gebirgsstock ab, bis nach Süden übers Kammerlinghorn und Wimbachgries.

Genau genommen hat allerdings Sisi den ersten dokumentierten Ausflug über die Nationalparkgrenze vollbracht. Einen Tag vorher, am 13.08. war sie bereits an der Südwestseite des Großen Häuselhorns am Westrand der Reiteralm auf österreichischem Gebiet.

Und am 20.08. um 09:35 Uhr war es dann so weit. Zuerst hatten wir nur die Satellitendaten von Nepomuk:  Nach einigen Kreisen am Reiteralmplateau startete er um 10:46 Uhr nach Südwesten und es ging's über das Große Häuselhorn direkt in die Loferer Steinberge, die er ganz genau untersucht hat: Er war u.a. beim Großen Hinterhorn (d.h. schon in Tirol) -  und flog dann hinüber in die Leoganger Steinberge (dort hat sich früher vor allem Bavaria schon eine ganze zeitlang aufgehalten) und hat sich dort auch ganz genau umgeschaut:  Großes Rothorn, Hundshörndl, Birnhorn, alle großen und eindrucksvollen Gipfel und Hochkare waren dabei. Dort war er tatsächlich mehr als 2,5 Std. unterwegs und danach ging's um 14:33 Uhr zurück zum Kammerlinghorn und um 14:55 Uhr war er wieder in der Halsgrube. Als später die Daten von Sisi aktualisiert wurden, bestätigte sich unser Verdacht: Beide waren zusammen geflogen und waren auch die ganze Zeit mehr oder weniger beisammen!

Insgesamt betrug die akkumulierte Flugstrecke laut GPS über 160 km. Da die Meldungen nicht immer kontinuierlich erfolgen, dürften es exakt gemessen sogar noch ein paar mehr sein.

Zeitlich sind diese Ereignisse vollkommen im Rahmen der bisherigen Erfahrungen und passen gut zu den Entwicklungen unserer anderen ausgewilderten Bartgeier. Die Flugphasen und Bereiche werden ausgedehnter, über der Reiteralm können sie inzwischen auch schon in allen Bereichen angetroffen werden. Nepomuk war inzwischen auch schon am Hochkönig und Sisi besuchte nach dem gemeinsamen Ausflug die Steinberge auch noch einmal alleine.

Erstaunlich einseitige Konfrontationen mit den Steinadlern

Sisi vs Steinadlerweibchen | © Matthias Feldhoff © Matthias Feldhoff
Sisi beim direkten Angriff auf das Steinadlerweibchen

Selbstverständlich kommt es regelmäßig zu Begegnungen mit dem ansässigen Steinadlerpärchen. Aufgrund der bisherigen Beobachtungen und Ereignisse gibt es auch keinen Grund zur Sorge:  Die jungen Bartgeier sind inzwischen deutlich besser darin, die Thermik zu nutzen und bringen sich dadurch häufig in vorteilhaftere Positionen.
Besonders Sisi konnte schon mehrmals dabei beobachtet werden, wie sie den Terzel und das Weibchen in die Flucht schlagen konnte, aber auch Nepomuk steht dem eigentlich nur kaum nach. Man kann sagen, dass beide inzwischen den Luftraum über und um die Halsgrube für sich behaupten können.  

Dies ist immer wieder erstaunlich, wenn man sich dabei bewusst macht, dass die Steinadler den beiden eigentlich viele Jahre Lebenserfahrung, Flugpraxis und Revierkenntnis voraus haben.

 

 

 

Aktivitäten rund um die Futterplätze

Drei Bartgeier am Futterplatz | © NPV, LBV © NPV, LBV
Das erste mal, dass wir drei Bartgeier gleichzeitig an einem der Futterplätze beobachten konnten!

Im letzten Jahr war der zweite der eingerichteten Futterplätze schon deutlich weniger besucht, als die beiden anderen – heuer gelang dies sogar noch keinem der beiden. Die beiden anderen Plätze werden aber gut angenommen, so dass die Versorgung kein Problem darstellt. Wir hatten ja schon direkt nach Sisis Erstflug beobachtet, dass sie in einer Felsrinne einige Knochen finden konnte. Inzwischen kam dies mindesten in noch einem anderen Fall vor, in dem sie ein mutmaßliches Gamsskelett in den zerklüfteten Wänden des Knittelhorns entdecken konnten. Gelegentlich konnten sie auch schon dabei beobachtet werden, wie sie Knochen an andere Orte transportieren, um sie dort dann zu konsumieren.
Das Bettel- und Lautverhalten kann auch noch wahrgenommen werden, wenn sich die beiden zusammen stationär aufhalten: Vor allem Sisi bettelt Nepomuk des Öfteren ausgiebig an, während er Nahrung aufnimmt, auch wenn an der Stelle noch viel Nahrung vorhanden ist.

In die Nische kehren die beiden nicht mehr zurück, der letzte dokumentierte Besuch erfolgte bereits Ende Juli. Wir haben dort seit ihrem erstmaligen Ausflug allerdings auch keine Nahrung mehr ausgelegt.

Neben den allgegenwärtigen Rabenkrähen kommen auch Alpendohlen und gelegentlich das Kolkrabenpärchen zu den verschiedenen Futterplätzen. Dies ist aber in unsere Futterplatzgaben einberechnet und stellt kein wirkliches Problem dar.
Wir arbeiten daran die Aktivitäten rund um die Futterplätze auszuwerten und die vorhandenen Arten und mögliche Aktivitätsmuster genau dokumentieren. Die Datenauswertung hierzu läuft bereits.

Recka weiterhin öfter zu Besuch

Sisi und Recka |© Uwe Stähler © Uwe Stähler
Sisi und Recka fliegen zusammen vor den eindrucksvollen Wänden der Reiteralm

Wir haben ja vor einigen Tagen schon von dem erfreulichen ersten Besuch einer unserer älteren Bartgeier berichtet. Umso erstaunlicher war nun der neuerliche Besuch, der sie in einem direkten Flug aus dem Karwendel wieder in die Halsgrube führte.

Dies führte am vergangenen Freitag zu ereignisreichen Szenen im Luftraum über der Halsgrube: Nach einem tatsächlich erfolgten Angriff eines Steinadlers auf Sisi (konnte in der Form bisher eigentlich noch kaum beobachtet werden – in der Regel war es bisher immer andersherum) griff Recka in das Geschehen ein und vertrieb den Adler kurzzeitig. Danach gab es noch spielerische Luftkämpfe von Sisi und Recka zu beobachten und noch weitere Adlerbeobachtungen, allerdings ohne Konfrontation.

Unverhoffter Besuch

Haselhuhn |© Matthias Feldhoff © Matthias Feldhoff

Das Ganze wurde durch die Beobachtung eines Haselhuhns durch das Monitoringteam gekrönt, in dem glücklicherweise der eine oder andere talentierte Fotograf mitarbeitet.

Nun haben wir des öfteren drei Bartgeier beim Monitoring in der Halsgrube zu überwachen

Reckas erstaunliche Reiseroute |© D. Schuhwerk, LBV © D. Schuhwerk, LBV
Reckas erstaunliche Reiseroute aus der Halsgrube in die Halsgrube. Insgesamt ist sie dabei gut 1.000 km geflogen

Inzwischen besuchte Recka auch mal wieder das Salzachtal, kehrte aber auch wieder zur Halsgrube zurück. Die Interaktionen zwischen den jungen Bartgeiern sind neben den beobachteten spielerischen Flugkämpfen am Boden relativ friedlich, wobei vor allem Nepomuk den Kontakt zu Recka sucht, diese dann jedoch ausweicht. Ab und an wird sie von den beiden jüngeren auch von den Futterplätzen verdrängt.

 

 

Recka |© Christian Steiger © Christian Steiger
Einfach schön - Recka ganz nah

Wir sind in jedem Fall sehr gespannt, wie sich sowohl die Entwicklung der beiden „Neuen“ fortsetzt und wie sich die Begegnungen mit Recka und ihre weitere Wandertätigkeit gestalten werden.

Insgesamt muss man eine absolut positive und erfolgreiche Entwicklung konstatieren.

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