VOGELSCHUTZ 3-23

VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN magazin 3|2023 Skisubventionen streichen Keine Naturzerstörung mit Steuergeldern Gewässer verbessern So halten Bäche Wasser in der Fläche Betonflut bremsen Der Flächenfraß muss ein Ende haben Zukunftsperspektiven

2 LBV MAGAZIN 3|23 Reisen in die Welt der Vögel birdingtours GmbH, Kreuzmattenstr. 10a, 79423 Heitersheim, Tel. 07634/5049845, info@birdingtours.de In unserem Katalog nden Sie über 100 Vogelbeobachtungs- reisen für Einsteiger, Fortgeschrittene und Pro s in Deutschland, Europa und weltweit Anfordern können Sie unseren Katalog auf unserer Webseite unter www.birdingtours.de/service/katalog oder per Telefon Vogelbeobachtung bedeutet Entspannung, Eintauchen in die Natur und Erholung für Körper und Seele 2023 www.birdingtours.de Empfohlen von: Reisen in die Welt der Vögel Kommen Sie mit raus! SWAROVSKI OPTIK SERVICE TOUR REINIGUNG | WARTUNG | BERATUNG Wir machen Halt auf der Delegiertenversammlung des Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) in Straubing. Vor Ort prüfen und reinigen unsere Expert :innen Ihr SWAROVSKI OPTIK Fernglas oder Teleskop, geben Tipps und führen kleinere Reparaturen durch. Kommen Sie vorbei, wir freuen uns auf Sie! 21. Oktober 2023, 10.00 –17.00 Uhr Joseph-von-Fraunhofer-Halle Am Hagen 75, 94315 Straubing SWAROVSKIOPTIK.COM

LBV MAGAZIN 3|23 3 gespannt blickt Bayern auf die Landtagswahl am 8. Oktober. Im aktuellen Wahlkampf bläst dem Naturschutz nicht nur ein starker Wind ins Gesicht. Bei Themen wie dem Schutz von Wolf und Fischotter, der Nutzung von Wäldern oder der Abschaffung von Naturbrachen in der Agrarlandschaft rüttelt die Politik sogar am Grundverständnis des Naturschutzes. Doch welche Zukunft wünschen wir als Naturfreundinnen und Naturfreunde unseren Kindern und Enkelkindern? Sollen sie sich nicht auch an Bayerns faszinierender Natur erfreuen können, wie es uns möglich ist? Oder noch weiter gedacht: Lohnt es sich überhaupt, Kinder in diese Welt zu setzen, wenn der Schutz und Erhalt unserer Natur für die Politik eine immer geringere Rolle spielt? Machen Sie deshalb mit der beiliegenden Postkarte und durch Markieren unter unseren Social-Media-Beiträge Ihre Kandidatinnen und Kandidaten darauf aufmerksam, dass Naturschutz bei Ihrer Wahlentscheidung eine Rolle spielt. Dass sie oder er sich für den Schutz unserer bayerischen Natur einsetzen muss – und damit unseren Kindern Zukunftsperspektiven gibt. Liebe Leserinnen und Leser, Perspektiven für die Zukunft Viel Spaß beim Lesen! Ihr Markus Erlwein Chefredakteur Auch die Mitarbeitenden der LBV-Verwaltung in unserer Landesgeschäftsstelle leben aktiven Artenschutz. Nachdem sich ein Mauersegler mit einer von ihm eingesammelten Luftballonschnur an einem der Nistkästen am Bürogebäude verfangen hatte, rettete ein Marketingkollege mit Hilfe der Feuerwehr Hilpoltstein den Vogel, der kurze Zeit später wieder in die Luft abheben konnte. Vogelrettung E D I T O R I A L FOTO: ALBERT KRAUS Tagesaktuelle Nachrichten finden Sie unter lbv.de/newsletter lbv_bayern lbv.de VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN LBV magazin Achtung Beilage!

4 LBV MAGAZIN 3|23 ID-Nr. 23148600 Dieses Druckerzeugnis ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. www.blauer-engel.de/uz195 · ressourcenschonend und · umweltfreundlich hergestellt · emissionsarm gedruckt XW1 überwiegend aus Altpapier Sie lesen klimaneutral und umweltfreundlich 6 Im Fokus Wasser für Vögel 8 Leserbriefe 9 Kurzmeldungen 10 Standpunkt Dr. Norbert Schäffer 12 Betonflut stoppen Der Flächenfraß muss ein Ende haben 18 Bayerns Bäche brauchen Hilfe Mehr Wasser in der Landschaft halten 20 Schluss mit den Ski-Subventionen So schädlich werden Steuergelder eingesetzt 22 Artenschutz und erneuerbare Energien Die Auswirkungen der Gesetzesänderungen zur Beschleunigung der Energiewende 24 LBV-Schutzgebiet Wertvolles Wiesenbrütergebiet Haarmoos 26 Spendenaktion Aktiv für den Gewässerschutz 12 18 24 10.000 Kilometer Bäche müssen in Bayern dringend verbessert werden. Jeden Tag verlieren wir in Bayern ein Stück intakte Natur. LBV-Aktive bei der Biotoppflege im Schutzgebiet Haarmoos. Wer Skianlagen fördert, zerstört damit aktiv die Natur in den Alpen. TITELBILD: EISVOGEL | GODIMUS MICHEL - STOCK.ADOBE.COM FOTOS: BANNAFARSAI - STOCK.ADOBE.COM, JULIA RÖMHELD, ANDINSPIRIERT - STOCK.ADOBE.COM, KG BERCHTESGADENER LAND, BIRGIT HELBIG, MONIKA SCHIRUTSCHKE I NH A L T 20 INHALT

LBV MAGAZIN 3|23 5 Kinder entwickeln Bewusstsein für die Arten der Alpen. Einhefter • Spenden-Überweisungsträger • Mitgliederwerbekarte 28 LBV AKTIV 34 NAJU Neues von der Naturschutzjugend 36 Garten Wasser sparen im Garten 38 Vogelsterben in der Agrarlandschaft Aktuelle Studien zum Bestand der heimischen Vogelwelt 42 Interview Erbschaft Ein Testament für die Natur 43 Aus dem LBV • Ergebnisse Stunde der Gartenvögel 2023 • Kurzmeldungen 44 Umweltbildung LBV-Bildungsprojekt in den Allgäuer Alpen 46 Aus dem LBV Wintervogel-Atlas Bayern 47 Stiftung Aktuelle Förderprojekte 48 Medien Buch-, DVD- und App-Empfehlungen 49 Kleinanzeigen 50 Impressum und Kontakte WANDERRUCKSACK 09174-4775-7023 naturshop@lbv.de lbv-shop.de • 27 l Volumen • Frame Vent-Tragesystem • Wanderstockhalterung • Seitenkompression • Regenhülle • Belüftete Schultergurte • Handgriff • Trinksystemvorbereitung • Belüfteter Hüftgurt mit einer Reißverschlusstasche • Verwendung von recycelten Materialien • PFC-freie Imprägnierung • GREEN by Tatonka - ANZEIGE - 44 36 Wir geben Ihnen Tipps, wie Sie Wasser im Garten sparen.

6 LBV MAGAZIN 3|23 MÖNCHSGRASMÜCKE | FOTO: ERICH OBSTER Bei sommerlichen Temperaturen ist eine Wasserschale im Garten eine willkommene Trink- und Bademöglichkeit für unsere Vögel. Diese sollte täglich gereinigt und mit frischem Wasser gefüllt werden. Das freut auch Insekten, Igel und Eichhörnchen. KÜHLES NASS AN HEISSEN TAGEN

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8 LBV MAGAZIN 3|23 L E S E R B R I E F E Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an Redaktion VOGELSCHUTZ, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor. Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. i Post Zum Interview „Der Film ist eine Art Kuckucksei“ (1/23) Wunderbarer Film Gratulation und ein herzliches Dankeschön Ihnen, Herr Conradi und Herr Adolph, für den wunderbaren Film. Das Kino war mit vielen jungen Leuten fast voll. Interessant und aufschlussreich war auch die Diskussion mit Herrn Adolph im Anschluss. Mein Mann und ich wünschen dem Film viele Zuschauer und Ihnen weiterhin viel Erfolg für Ihre wichtige Arbeit. Luise Straßer, 93059 Regensburg Rebhühner, es gibt sie noch Ich habe vor über 40 Jahren am Nordostrand von Hausen bei Forchheim gebaut und erfreue mich seitdem an den schnarrenden Rufen der Rebhühner. Aktuell höre ich sie abends auf den Äckern zwischen unserem Haus und dem Main-Donau-Kanal. Dort finden sie offensichtlich Unterschlupf an der Böschung. Leider erkenne ich dort immer wieder „Reinigungsarbeiten“, wohl zur Eindämmung des Wildwuchses, damit es ordentlich aussieht. Roland Tischer, 91353 Hausen Mauersegler und Mehl- und Rauchschwalben werden weniger Ist hier nicht auch die Politik gefragt? Meiner Meinung nach haben immer noch zu wenig Menschen für diese Problematik ein Bewusstsein. Mein Vorschlag wäre, dass in jeden Neubau von Ställen schon standardmäßig Nisthilfen für Schwalben etc. eingebaut werden. Und wer das nicht will, sollte eine Abgabe z. B. an den Naturschutzfonds zahlen. Wer sich nachträglich Nisthilfen anschaffen möchte, sollte eine Förderung z. B. von der Naturschutzbehörde bekommen. Auch wäre es gut und vorbildlich, wenn man für öffentliche Gebäude Nisthilfen für Vögel aller Art anschaffen würde. Vielen herzlichen Dank für Ihren Einsatz und Ihre Initiative und weiterhin viel Erfolg! W. Christoph Zum Artikel „Genug zu essen“ (2/23) Leiten Sie Ihre Klima- und Artenschutzwende ein! In diesem Artikel wird sehr verständlich aufgezeigt, dass Umweltziele wie die verloren gegangene Biodiversität wieder aufgebaut werden können. Ein Schlüssel ist die Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten. Ich habe den LBV deshalb gebeten, mir 150 Kopien dieses Artikels zu übersenden. Diese werde ich in den nächsten Wochen verteilen, z. B. an Bekannte, Gastwirte, Gemeinde- und Kreisräte, und in Supermärkten, Tankstellen, Friseurbetrieben und Arztpraxen auslegen. Und Mitglieder des Landtags- bzw. Bundestags werde ich fragen, was sie/ihre Partei bisher umsetzten/befürworteten und was sie in nächster Zeit intensiv angehen wollen. Machen auch Sie mit! Fordern Sie Kopien des Artikels an und leiten Sie so „Ihre“ Klima- und Artenschutz-Wende ein! Es gibt für uns, die Aktiven in einem Arten- und Naturschutzverband, kaum einen schnelleren Weg, den Treibhausgasausstoß und das Artensterben zu mindern. Franz Amann, 96114 Hirschaid Graziöser Vogel am Gartenteich Eine ganz besondere Beobachtung machte ich diesen Winter: Ein Silberreiher schaute sich in meinem Garten nach Nahrung um. Reinhold Strobl, 92253 Schnaittenbach Buntes Treiben der jungen Falken Mitten an der Wand einer Firma in Dachau brüten seit Jahren erfolgreich Turmfalken, doch wer es nicht weiß, fährt achtlos an den Jungvögeln vorbei. Johann Graßl, 85221 Dachau FOTOS: REINHOLD STROBL, CHRISTIAN STEIGER, SASHA JUMANCA, ANDRE SCHOENHERR

Gesucht: Vogel des Jahres 2024 Wer wird der Nachfolger des Braunkehlchens? Von 1. September bis 5. Oktober suchen der LBV und sein bundesweiter Partner NABU den Vogel des Jahres 2024. Auch in diesem Jahr erfolgt die Wahl öffentlich. Aus fünf Kandidaten können Sie online unter vogeldesjahres.de eine Stimme für Ihren Favoriten abgeben. Jeder der Vögel steht für ein Naturschutzthema, das unsere Aufmerksamkeit braucht. Wer antritt, wird erst mit Start der Wahl bekannt gegeben. So viel sei aber schon verraten: Einige der Anwärter haben es in der Vergangenheit bereits geschafft, zum Vogel des Jahres ernannt zu werden. Alle Infos unter: lbv.de/vogeldesjahres Gezwitscher Sisi und Nepomuk erfolgreich ausgewildert Bereits zum dritten Mal haben der LBV und der Nationalpark Berchtesgaden zwei junge Bartgeier in einer Felsnische im Klausbachtal erfolgreich ausgewildert. Die beiden Jungvögel aus dem europäischen Zuchtprogramm stammen erstmals aus Österreich. Sisi ist im Alpenzoo Innsbruck geschlüpft, Nepomuk in der Richard-Faust-BartgeierZuchtstation Haringsee. Das erste Männchen im Projekt wurde anschließend vom Bartgeierpaar des Nürnberger Tiergartens adoptiert und großgezogen. Seinen Namen hat eine Jury von Nationalpark und Bayerischem Rundfunk aus über 500 Vorschlägen des Radiopublikums von Bayern 2 ausgewählt. Der Name „Sisi“ wurde von Dagmar Knigge und André Turiaux, zwei großzügigen Spendern des LBV, ausgewählt, weil der Name die Verbindung zwischen Österreich und Bayern gut zum Ausdruck bringt. Mehr unter: lbv.de/bartgeier-auf-reisen Servicemobil von Swarovski Optik auf der LBV-Deli Der LBV-Partner Swarovski Optik dehnt sein Angebot weiter aus und kommt in diesem Jahr erstmals mit einem Serviceteam zu den Kundinnen und Kunden. Der einzige Stopp in Deutschland wird auf der diesjährigen LBV-Delegiertenversammlung am 21. Oktober in Straubing vor der Joseph-von-Fraunhofer-Halle sein. Im Rahmen der ServiceTour sind die Optik-Spezialistinnen und -Spezialisten in einer eigens dafür konzipierten mobilen Station im Einsatz und bieten eine kostenlose Vor-Ort-Begutachtung von Geräten an. So werden die Justierung der Geräte überprüft, kleinere Reparaturen durchgeführt und vorrätige Ersatzteile ausgetauscht. Für aufwändigere Reparaturen nimmt das Serviceteam das Produkt gleich mit in den Hauptsitz nach Absam, wo die umfangreichere Wiederinstandsetzung erfolgt. K U R ZME L DUNG E N Fotowettbewerb Natur im Fokus Der LBV beteiligt sich als neuer Projektpartner am Fotowettbewerb Natur im Fokus. Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren sind dazu eingeladen, mit der Kamera oder dem Smartphone auf Entdeckungsreise in Bayerns Natur zu gehen. Die besten Bilder zu den Kategorien „Blumen, Blüten, Bestäuber“ und „Wälder, Wiesen, Wildnis“ können die jungen Naturfotografinnen und -fotografen bis Ende September 2023 einsenden und spannende Preise gewinnen. Der kreative Ansatz kann Kinder und Jugendliche zum Naturschutz inspirieren und bietet einen spannenden Anreiz, mehr über die heimische Natur zu lernen. Den Wettbewerb richtet das MuseumMensch und Natur gemeinsammit dem Bayerischen Umweltministerium und dem Naturkundemuseum Bayern/BIOTOPA Lab aus. LBV MAGAZIN 3|23 9 Sisi mit Knochen. Kohlmeise.

10 LBV MAGAZIN 3|23 T H EMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Am 8. Oktober 2023 ist Landtagswahl in Bayern. Die Ergebnisse von Landtagswahlen haben große Bedeutung auch für den Natur- und Artenschutz, weil diese Bereiche in Deutschland in weiten Teilen Ländersache sind. Ich muss hier nicht betonen, dass der LBV parteipolitisch vollkommen neutral ist. Unpolitisch aber kann der LBV selbstverständlich nicht sein. Wir stehen in engem Kontakt mit Politikerinnen und Politikern sowie den Gremien, in denen die entsprechenden Personen arbeiten, immer mit dem Ziel, unsere Anliegen, den Schutz der Biologischen Vielfalt in Bayern sowie die Bildung für nachhaltige Entwicklung, voranzubringen. Zukunftsperspektiven – LBV-Forderungen zur Landtagswahl 2023 Unter dem Schlagwort „Zukunftsperspektiven“ haben wir unsere Forderungen für die Landtagswahl 2023 in Bayern zusammengefasst. Werden unsere Forderungen umgesetzt, verbessern wir damit die Perspektiven unserer Kinder und deren Kinder auf eine lebenswertere Zukunft. Wenn wir den Flächenfraß stoppen, die erneuerbaren Energien naturverträglich ausbauen, Bäche renaturieren und die umweltschädliche Förderung von Skianlagen abschaffen, geben wir Bayerns Natur wieder echte Zukunftsperspektiven. Details zu unseren Forderungen finden Sie im vorliegenden LBV magazin. Bitte sprechen Sie mit Ihren Kandidatinnen und Kandidaten, um zu fragen, ob diese unsere Forderungen unterstützen und schicken Sie ihr bzw. ihm unsere beigelegte Postkarte! Stillgelegte Wälder sind ein Schatz! Vor wenigen Wochen wurde der sogenannte Waldpakt zwischen Staatsregierung und Waldbesitzern bzw. -nutzern unterzeichnet. Naturschutzverbände wurden hierbei nicht gehört. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang behauptet, bewirtschaftete Wälder wären wichtiger für den Erhalt der Biologischen Vielfalt als ungenutzte Wälder. Während der Unterzeichnung des Waldpakts wurde von Ministerpräsident Dr. Markus Söder sogar gesagt: „Ein stillgelegterWald stirbt!“ Diese Aussage ist falsch undwird auch durch dauerndes Wiederholen nicht richtig. Wer so argumentiert, erkennt nicht, dass es nicht nur auf die Anzahl der Arten ankommt, sondern auch darauf, welche (insbesondere seltenen) Arten in Wäldern, die sich ungestört entwickeln dürfen, vorkommen. Ein Blick in zahlreiche nutzungsfreie Waldschutzgebiete, beispielsweise unsere beiden fantastischen Nationalparks, zeigt, wie wunderbar sich die Biologische Vielfalt hier entwickelt. Davon zeugen standorttypische, zum Teil sehr seltene Arten und Lebensräume. Selbstverständlich wollen wir eine nachhaltige Waldnutzung im überwiegenden Teil unserer Wälder. Nutzungsfreie Bereiche aber spielen für den Schutz der Biologischen Vielfalt sowie als Referenzflächen für die natürliche Waldentwicklung, insbesondere in einem geänderten Klima, eine wichtige Rolle. Daher fordern wir beispielsweise, mit der Ausweisung eines Nationalparks Steigerwald und eines Biosphärenreservats Spessart das Thema Wald-Großschutzgebiete in Bayern zu vervollständigen. Nach dem Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ wurde imWaldgesetz als Ziel festgelegt, die Biologische Vielfalt im Wald zu erhalten und wo nötig wiederherzustellen. Der LBV wehrt sich vehement dagegen, dass diese Zielsetzung wieder angezweifelt wird. Widersprüche in der Politik Eine andere Errungenschaft des Volksbegehrens, die an unterschiedlicher Stelle derzeit wieder in Frage gestellt wird, ist die Zielsetzung, 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Bayerns biologisch zu bewirtschaften. Ob Lebensmittel aus biologischer oder konventioneller Landwirtschaft stammen, sei nicht entscheidend, solange die Produkte „regional“ sind, heißt es etwa im Wahlprogramm der CSU. Den Einsatz der Pestizide in Bayern bis 2028 zu halbieren, hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder im Rahmen des Volksbegehrens ArS T A ND P UN K T sachlich bleiben Auch imWahlkampf Errungenschaften des Volksbegehrens werden plötzlich in Frage gestellt

LBV MAGAZIN 3|23 11 tenvielfalt „Rettet die Bienen!“ als eigenes, zusätzliches Ziel gesetzt. Sein stellvertretender Parteivorsitzender Manfred Weber kämpft auf EU-Ebene vehement genau gegen dieses Ziel. Auch der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger widerspricht dem Ziel der Halbierung von Pestiziden in Bayern. Dies ist schlecht für den Natur- und Umweltschutz in Bayern, derartige Widersprüche führen zu Politikverdrossenheit und stehen im Gegensatz zu teils ehrlichen Anstrengungen der Staatsregierung für Naturschutzziele der vergangenen Jahre. Ich erwarte, dass sich der Ministerpräsident und alle anderen Vertreterinnen und Vertreter der CSU, auch die in Berlin und Brüssel, sowie insbesondere der stellvertretende Ministerpräsident, geschlossen hinter das gesetzte Ziel der Pestizidhalbierung stellen und dieses auf allen Ebenen vertreten und voranbringen. Danke an alle Ehrenamtlichen In der derzeitigen Krise wird von vielen Politikerinnen und Politikern der Eindruck erweckt, Natur- und Artenschutz sei etwas, dem man sich widmet, wenn es keine anderen Herausforderungen gibt. Dabei wird vollkommen übersehen, dass eine gesunde Natur elementare Voraussetzung für unser Leben generell darstellt. Konsequenterweise ist der Schutz unserer Natur auch in der Bayerischen Verfassung und im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt. Umso verwunderlicher ist es für mich, dass viele der Aufgaben imNatur- und Artenschutz von Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern erledigt werden müssen. Beispiele hierfür sind das Monitoring häufiger Brutvogelarten oder die Wiesenbrüterkartierung in Bayern. Ich möchte allen hier ehrenamtlich und mit großem Einsatz Engagierten ganz herzlich für ihre großartige Arbeit danken! Manche Arten können Konflikte auslösen Der derzeitige Umgang mit Arten, die in Ausnahmen auch Konflikte mit dem Menschen versachen können, wie Wolf, Dr. Norbert Schäffer Fischotter, Biber oder Saatkrähe, erweckt den Eindruck, dass wir im Naturschutz wieder beim Schädlings-Nützlingsdenken der 1970er Jahre gelandet sind. Plötzlich werden wieder Fragen laut wie: „Wozu brauchen wir den Fischotter?“ Der LBV erkennt sehr wohl, dass bestimmte Arten zu Konflikten insbesondere mit Teichwirten und Weidetierhaltern führen können. Wir plädieren für eine sachliche und konstruktive Vorgehensweise bei der Suche nach Lösungen. Leider erleben wir im Wahlkampf genau das nicht. Vielmehr werden Probleme mit Konfliktarten regelrecht instrumentalisiert. Damit aber wird man weder den Betroffenen noch den genannten Arten gerecht. Abseits der schwierigen Position des Naturschutzes in der vom Wahlkampf geprägten Politik, erzielen wir mit unserer Arbeit im Verband täglich viele Erfolge für die Natur in Bayern. Dank unseres erfolgreichen Auswilderungsprojekts sind in Berchtesgaden und Umgebung mittlerweile fünf Bartgeier zu Hause. Dem Wanderfalken geht es in Bayern wieder deutlich besser, als noch vor 30 Jahren. Der Uhu, ehemals gefährdet, ist heute aus der Roten Liste entlassen und unsere LBV-Schutzgebiete bieten vielen auch seltenen Arten wichtigen Lebensraum. Nach der Landtagswahl wird es im politischen Bayern hoffentlich wieder ruhiger und sachlicher zugehen. Gerade als LBV-Vorsitzender freue ich mich darauf! BUCHENWALD IM SPESSART I FOTO: OLIVER WITTIG Beim Umgang mit manchen Arten sind wir wieder in den 70ern gelandet Folgen Sie mir auf X unter @N_Schaeffer (ehemals Twitter)

T H EMA Zukunftsperspektiven LBV-Forderungen zur Landtagswahl 2023 1 Flächenfraß stoppen 2 Erneuerbare Energien naturverträglich ausbauen 3 Bäche renaturieren 4 Keine Förderung von umweltschädlichen Skianlagen 5 Regionale Bio-Produkte in öffentlichen Kantinen 6 Pestizide reduzieren 7 Biotopverbund als grünes Netz 8 Ausweisung Nationalpark Steigerwald und Biosphärenreservat Spessart 9 Moore renaturieren 10 Verbindliche Bildung für nachhaltige Entwicklung 10 12 LBV MAGAZIN 3|23 FOTO: THOMAS STAAB

LBV MAGAZIN 3|23 13 Täglich werden in Deutschland 55 Hektar Land ihrer vorherigen Nutzung entzogen, davon allein über 10 Hektar pro Tag in Bayern. Der Hunger nach neuen Flächen ist in Bayern im bundesweiten Vergleich besonders groß. Schon heute sind über zwölf Prozent der bayerischen Landesfläche Siedlungs- und Verkehrsflächen. Die in der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes vorgegebene Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, wie die Politik das Problem lieber umschreibt, auf höchstens 30 Hektar täglich bis 2030, scheint unerreichbar. Auch das neue bayerische Landesplanungsgesetz begnügt sich mit einem unverbindlichen Richtwert von fünf Hektar täglich, der bis 2030 lediglich „angestrebt“ wird. Eine Trendwende wird auf diese Weise nicht stattfinden. Das Umweltbundesamt definiert Flächenverbrauch als Umwandlung von bisher vor allem landwirtschaftlich genutzter Flächen in „Siedlungs- und Verkehrsfläche“. Eine ökologische Definition beschreibt Flächenverbrauch „als Verlust von Betonflut stoppen Kaum ein anderes Land ist so dicht besiedelt wie Deutschland. Aber der Bau neuer Straßen, Siedlungen und Gewerbegebiete geht ungebremst weiter. Der Druck auf die noch vorhandene Natur steigt immer mehr. Schon heute ist der Flächenfraß eines unserer größten Umweltprobleme – gerade in Bayern. Immer mehr neue Industrie- und Gewerbegebiete entstehen in öffentlichen Wäldern.

T H EMA FOTO: THOMAS STAAB Bodenoberflächen durch Versiegelung und Bebauung mit mehr oder weniger luft- und wasserundurchlässigen Oberflächen, sodass die natürlichen Bodenfunktionen dort nicht mehr ausgeübt werden können“. Flächenverbrauch und Versiegelung sind daher begrifflich auseinanderzuhalten. Ein drastisches Beispiel für Versiegelung ist die Planung eines BMW-Werks mit 105 Hektar mitten im fruchtbaren niederbayerischen Gäuboden bei Straßkirchen mit seinen wertvollen Lösslehmauflagen. Andererseits ist nicht jede überplante Fläche zu 100 Prozent versiegelt. Sie verliert jedoch weitgehend ihren ursprünglichen Charakter und ihre ökologischen Funktionen. So hat eine Parkplatzbegrünung mit einem vormaligen Wald wenig gemeinsam. Folgen des Flächenfraßes Flächenfraß wirkt sich in vielerlei Hinsicht negativ aus: Arten- und Lebensräume verschwinden, Böden verlieren ihre Funktion als Wasserspeicher und für die Produktion von Lebensmitteln. Die Hochwassergefahr steigt, überbaute Gemäß der „Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung in Bayern zum Stichtag 31. Dezember 2021“ des Bayerischen Landesamts für Statistik entfällt innerhalb des Segments „Siedlungs- und Verkehrsfläche“ auf Verkehrsflächen ein Anteil von 38,6 Prozent. Weitere 25,7 Prozent entfallen auf Wohnbauflächen, elf Prozent sind Gewerbe- und Industriegebieten zuzurechnen. In absoluten Zahlen ausgedrückt wurden allein 2021 knapp 3.800 Hektar Land in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt. Der Anteil landwirtschaftlicher Flächen (46,1 Prozent) und Wälder (35,3 Prozent) sinkt dagegen. In den letzten Jahren werden verstärkt großflächige Gewerbe- und Industriegebiete in Wälder geplant. Politiker sprechen beschönigend hier von „Umnutzung der Flächen“. Wir nennen es ganz bewusst Flächenfraß. Denn uns allen muss klar sein: Die Ressource Boden ist ein nicht vermehrbares Gut. Was einmal versiegelt ist, ist ökologisch tot. Bodenfläche Bayerns zum 31. Dezember 2021 nach Nutzungsarten Ergebnisse der Flächenerhebung in Prozent 35,3 % Waldfläche 24.924 km² 46,1 % Landwirtschaftsfläche 32.545 km² 12,2 % 4,3 % BAYERISCHES LANDESAMT FÜR STATISTIK, FÜRTH 2022 Siedlungs- und Verkehrsfläche 8.632 km² 0,5 % Friedhof 42 km² 3,6 % Fläche besonderer funktionaler Prägung 308 km² Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche 565 km² Industrie- und Gewerbefläche 951 km² Fläche gemischter Nutzung 1.211 km² Wohnbaufläche 2.221 km² Verkehrsfläche 3.330 km² 38,6 % 25,7 % 14,0 % 11,0 % 6,5 % sonstige Flächen (u.a. Sumpf, Moor, Unland) 3.066 km² 0,2 % Abbauland 155 km² 1,7 % Wasserfläche 1.220 km² Gesamtfläche: 70.542 km² 14 LBV MAGAZIN 3|23 Flächen erwärmen sich massiv, Lichtverschmutzung, Verkehr und Zersiedelung nehmen stark zu. Schon heute gibt es im dicht bebauten Deutschland kaum noch unzerschnittene Räume mit über 100 Quadratkilometer Größe. Und nicht zuletzt verändert sich der Charakter von Landschaften. Die Identität von Heimat geht verloren, wenn man, wie etwa in der Oberpfalz und in Unterfranken, nur noch den immer gleichen Schnellrestaurants mit Leuchtpylonen und ToskanahausSiedlungen begegnet. Besonders in ländlichen, bevölkerungsschwachen Regionen ist der Flächenfraß in Bayern groß. Spitzenreiter waren 2021 Niederbayern und die Oberpfalz. Offenbar erliegt man gerade hier der fatalen Annahme, es sei ja außen herum noch genug Natur vorhanden. Dass damit genau der Charme dieser oft noch unverbauten Landschaften verloren geht, nimmt man billigend in Kauf. Gefüttert wird der hohe Flächenfraß dort vor allem durch die Gewerbesteuer als eine der Haupteinnahmequellen kommunaler Finanzen. Dies führt zu einem Überbietungswettbewerb um die Ansiedlung neuer Unternehmen, nicht selten an der Grenze zur Nachbargemeinde. Dass die erwartete Gewerbesteuer – wenn überhaupt – erst nach vielen Jahren fließt, wird in Diskussionen gerne verschwiegen. Auch führen großflächige neue Wohn- und Gewerbegebiete dazu, dass Gemeinden vor hohen Folgekosten stehen, etwa für den Bau von Straßen, Schulen und Kindergärten. Das Bauen auf der „grünen Wiese“ mag oft der bequemere Weg sein, führt aber langfristig dazu, dass Ortskerne veröden, der sogenannte Donut-Effekt. Kommunale Planungshoheit fördert Flächenfraß Die Politik verfügt über Instrumente zum Flächenschutz, sei es im Landesplanungsgesetz, im Landesentwicklungsprogramm (LEP) oder in den Regionalplänen. Auch mangelt es nicht an politischen Willensbekundungen zum effizienten Flächensparen. Doch alle Appelle und Vorgaben scheitern meist an der kommunalen Planungshoheit. Solange Kommunen allein entscheiden, wo und in welchem Umfang neue Gewerbegebiete oder Neubausiedlungen entstehen, wird sich nichts ändern.

1. D en Flächenverbrauch bis 2030 auf Null reduzieren; bis dahin höchstens fünf Hektar pro Tag als verbindliche Obergrenze. 2. K ein Verkauf öffentlicher Wälder, insbesondere Staatswälder, für die Ausweisung neuer Gewerbe- und Industriegebiete. 3. V erpflichtende interkommunale Zusammenarbeit und Förderung des Flächenrecyclings. 4. K ein Neubau von Straßen; Erhalt des Bestandsnetzes und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. 5. P hotovoltaik-Pflicht auf Gebäuden und Parkplätzen. LBV MAGAZIN 3|23 15 für Gemeinden zur städtebaulichen Umwandlung von Konversionsflächen, wie ehemalige Kasernen oder Altlastenflächen, zum Beispiel der Glasindustrie, geben. Beim Bau großer eingeschossiger Einkaufszentren sollte es nur noch Doppelnutzungen (mit Wohnen) geben und der Flächenverbrauch durch den Bau von Parkhäusern oder Tiefgaragen verringert werden. Dabei hat Umweltminister Thorsten Glauber selbst 2019 bei der Auszeichnung „Flächenbewusste Gemeinde“ zum Thema Flächensparen gesagt: „Wo Freiwilligkeit versagt, muss Ordnungsrecht greifen!“ Ebenso konterkarieren bisweilen konkrete Gesetze das Flächensparziel. So hat der Bund schon zwei Mal den befristeten Ausnahmeparagrafen 13b im Baugesetzbuch eingeführt, um Wohnraum in Ballungsräumen durch Nachverdichtungen zu schaffen. Dies gelang nachweislich nicht. Umso mehr machten ländliche Kommunen im Außenbereich davon Gebrauch und das ohne Umweltprüfung und ohne jeglichen Naturschutzausgleich. Besonders schmerzt uns als Naturschützer der im Frühjahr 2023 beschlossene beschleunigte Ausbau von Autobahnen. Dazu gehört etwa der Vollausbau der A8 am Chiemsee mitten durch Moore und FFH-Gebiete. Auch die großzügigen Lockerungen der Staatsregierung beim sogenannten Anbindegebot für die Ausweisung neuer Gewerbeflächen ohne Anschluss an Siedlungen wurden erst im neuen Landesentwicklungsprogramm (LEP) wieder etwas verschärft. Dass der immense Flächenverbrauch ein riesiges Umweltproblem ist, stellen politische Entscheidungsträger zwar nicht grundsätzlich infrage. Auch gibt es viele Lösungsvorschläge, doch es besteht ein großes Umsetzungsdefizit. So ist beispielsweise der Flächenfraß bei der Ausweisung neuer Baugebiete am Ortsrand besonders groß. Das klassische Einfamilienhaus ist die flächenintensivste Wohnform. Dabei wären in Deutschland mindestens 88.000 Hektar Innenentwicklungspotenziale bzw. 99.000 Hektar GesamtBaulandpotenziale (mit geltenden Bebauungsplänen und gesicherter Erschließung) verfügbar. 900.000 bis 2 Millionen Wohneinheiten könnten dort entstehen. Durch den Ausbau von Dachgeschossen oder die Aufstockung bestehender Wohngebäude könnten nochmals eine Million neue Wohnungen entstehen. Durch das Aufstocken von Gewerbegebäuden wären weitere 1,4 Millionen Wohneinheiten realisierbar. Hierfür muss es natürlich auch ein Umdenken und die Mitwirkungsbereitschaft von Eigentümerinnen und Eigentümern geben. Viele Gemeinden sind zudem finanziell überfordert durch die Ausweisung neuer Gewerbeflächen, denn sie müssen bei Planung und Erschließung in Vorleistung gehen. Eine interkommunale Zusammenarbeit könnte die Kosten senken und Synergien für die einzelnen Kommunen erzeugen. Eine stärkere finanzielle Unterstützung sollte es So stoppen wir den Flächenfraß: Immer neue Straßen zerschneiden unsere Heimat. Umweltminister Thorsten Glauber im Oktober 2019 bei der Auszeichnung „Flächenbewusste Gemeinde“ „Wo Freiwilligkeit versagt, muss Ordnungsrecht greifen!“

T H EMA FOTOS: PETER BRIA, CHRISTIAN STIERSTORFER, CHRISTOPH BAUER (2), AXEL MÖLKNER-KAPPL GIGA-Factory Tirschenreuth Ausgerechnet in einem Moorgebiet südlich von Tirschenreuth plant die Stadt eine GIGA-Factory zum Bau von nachhaltigen Holzhäusern. Insgesamt 37 Hektar Fläche werden hier überplant, davon 30 Hektar Stadtwald im Engelmannsholz. Das angrenzende Moor wurde vor 30 Jahren aufwendig renaturiert und ist Lebensraum für Kreuzotter, Moorfrosch und Waldwasserläufer sowie etablierte Kolonien von Fledermäusen. Um überhaupt einen tragfähigen Untergrund für die Industriehallen zu schaffen, wären weiträumige Trockenlegungen nötig. Die Pläne sollen im Sommer erstmals ausgelegt werden. Aufgrund der überörtlichen Bedeutung hat der LBV ein Raumordnungsverfahren beantragt. Gewerbegebiet Teublitz (Lkr. Schwandorf) Im Staatswald an der Autobahn A93 soll ein 21 Hektar großes Gewerbegebiet entstehen. Die Fläche ist als Klimaschutzwald ausgewiesen. Hier kommen zahlreiche besonders geschützte Arten wie der Dunkelblaue Laufkäfer und Waldschnepfen vor. Der historisch alte Wald ist Quellgebiet für die Teiche rund um den Eselweiher. Das Vorhaben ist zu einem bayernweiten Präzedenzfall für Flächenfraß geworden und hat mehrfach den Landtag beschäftigt. Der LBV hat 2021 vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolgreich gegen den Bebauungsplan geklagt. Dessen ungeachtet plant der Stadtrat einen erneuten Anlauf für das Vorhaben, obwohl der Wald nach wie vor dem Freistaat gehört. Westumgehung Würzburg B26n Durch den Landkreis Main-Spessart führen mit der A3 und der A7 zwei bedeutende Autobahnen. Die A3 wurde inzwischen sechsspurig ausgebaut. Ungeachtet dessen wird seit Jahrzehnten über eine Westumgehung von Würzburg diskutiert. Diese würde aber nicht ortsnah an Würzburg vorbeiführen, sondern als Bundesstraße B26n von der A70 im Osten in weitem Bogen nach Süden zur A81 geführt. Dabei werden ornithologisch extrem wertvolle Gebiete sowie das Main- und Werntal mit mehreren FFH-Gebieten durchschnitten. Allein für den ersten Bauabschnitt bei Arnsteinwürden 66 Hektar Land „verbraucht“. Die Baukosten für die Umgehung werden vom Straßenbauamt derzeit mit 700 Millionen Euro angegeben. Donaubrücke Neuburg (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) Der Bau einer Ortsumgehung (zwischen B16 und der Staatsstraße 2214) mit einer zweiten Brücke über die Donau würde einen der letzten unzerschnittenen Auwälder bei Neuburg zerstören und 13 Hektar Natur zerstören. Dabei genießt der Auwald als Natura 2000-Gebiet besonderen europäischen Schutz. Das Schutzgebiet mit insgesamt rund 7.000 Hektar Größe besteht aus einem Mosaik verschiedener Lebensräume und war sogar schon als Nationalpark im Gespräch. Es ist ein international bedeutendes Rast- und Überwinterungsgebiet für Wasser- und Watvögel. Die Baukosten werden aktuell auf 85 Millionen Euro geschätzt. Die Entlastung für die Innenstadt wird von Gutachtern bezweifelt. 16 LBV MAGAZIN 3|23 Auch wenn Flächenfraß oft unbemerkt geschieht, gibt es in ganz Bayern Großprojekte, die die fortschreitende Zerstörung von Natur und Landschaft beängstigend vor Augen führen. Wir haben eine Auswahl aktueller Planungen zusammengestellt.

FOTOS: RALF EDLER, CHRISTIAN STIERSTORFER (2), ALMUT KROEHLING, CHRISTOPH BAUER Ochsenau Landshut Der letzte große Kalkmagerrasenkomplex an der Isar soll sukzessive diversen Bauvorhaben weichen. Akut betroffen ist das sogenannte Grüne Zentrum, das mit Förderung des Freistaats Einrichtungen der Forst- und Landwirtschaft beherbergen soll. Der LBV geht derzeit mit rechtlichen Schritten dagegen vor. Mittelfristig sind weitere große Flächen für Neubaugebiete vorgesehen. Das Gebiet mit vielen seltenen Arten wurde trotz seiner enormen Naturschutzbedeutung nie als FFH-Gebiet gemeldet. Der LBV hat dazu die EU-Kommission eingeschaltet. Das Vorhaben widerspricht eklatant der Verpflichtung zum Erhalt ökologisch wertvoller Flächen in öffentlichem Eigentum. Umgehungsstraße Schweinhütt (Lkr. Regen) Der Bund plant für die B11 im Regener Ortsteil Schweinhütt eine weitere Umgehung. Dabei hat das Dorf bereits eine umgehungsähnliche Straße. Für die sechs verbleibenden Anwesen soll nun eine neuerliche Umgehung entstehen. Dafür müssen große Schneisen in die Hügellandschaft des Bayerischen Waldes geschlagen werden. Um Verbotstatbestände zu umgehen und überhaupt eine Genehmigungsfähigkeit zu schaffen, sind mehrere aufwendige Fledermaustunnel zu bauen. Kürzlich wurde die Planfeststellung mit Baugenehmigung und Sofortvollzug abgeschlossen. Der LBV prüft rechtliche Schritte. Wohngebiet Annahaid Nittenau (Lkr. Schwandorf) Obwohl sie über 34 Hektar baureifes Land verfügt, plant die Stadt Nittenau die Ausweisung weiterer Baugebiete. Vier Hektar Klimaschutzwald am Rande des Landschaftsschutzgebiets sollen fallen. Der von Kiefern dominierte Waldbestand weist eine starke und vitale Eichenverjüngung auf und ist bestens für trockenere und heißere Sommer gerüstet. Das Bauministerium hält die Planung der Stadt für nicht raumverträglich und kritisiert die Bedarfsplanung. Eine Petition wurde im Landtag einstimmig angenommen. CHRISTOPH BAUER Dipl.-Forsting. (univ.) Leiter Bezirksgeschäftsstelle Oberpfalz, Regenstauf E-Mail: christoph.bauer@lbv.de LBV MAGAZIN 3|23 17 Umgehungsstraße Eselweihergebiet (Lkr. Schwandorf) Nicht weit vom geplanten Gewerbegebiet Teublitz planen die Kommunen des „Städtedreiecks“ eine Umgehungsstraße. Diese würde mitten durch ein historisches Weihergebiet führen, das Heimat seltener Arten ist. Von vier Trassenvarianten waren in einem Raumordnungsverfahren drei ausgeschieden. Die einzig verbliebene ortsnahe Trasse war mit enormen Umweltauflagen versehen worden. Inzwischen wurde von den betroffenen Kommunen der Ausstieg aus den Planungen beschlossen. ICE-Stellwerk Nürnberger Reichswald Die Deutsche Bahn plante den Bau eines ICE-Instandhaltungswerks. Dem Vorhaben wären u. a. über 40 Hektar Bannwald und Natura 2000-Gebiet im Nürnberger Reichswald zum Opfer gefallen. Nach erheblichem Widerstand eines breiten Bündnisses mit Beteiligung des LBV wurden die Planungen verworfen. Der Nürnberger Reichswald ist für den Klimaschutz im dicht besiedelten Raum Nürnberg unverzichtbar. Nicht nur als „grüne Lunge“, sondern auch als CO2- und Wasserspeicher sowie nicht zuletzt als Erholungsraum. Machen Sie mit! Schicken Sie die beiliegende Postkarte Ihrer Kandidatin oder Ihrem Kandiaten und zeigen Sie somit, dass Naturschutz bei der Landtagswahl eine wichtige Rolle spielt!

T H EMA FOTOS: MAXIMILIAN SEHR, EVA SCHUBERT 10.000 Kilometer müssen bis 2028 verbessert werden Seit einigen Jahren sehen wir vermehrt austrocknende Bäche und bekommen fallende Grundwasserstände zu spüren: Die Klimakrise ist unmittelbar angekommen. Naturnahe Gewässer sind wesentlich widerstandsfähiger gegenüber diesen Veränderungen, darin sind sich die Expertinnen und Experten einig. Jetzt muss die Politik handeln! Schnurgerade, ohne Schatten und überdüngt – vielen Bächen in Bayern geht es schlecht. Bayerns Bäche brauchen Hilfe Mit dem Wasser verschwindet wertvoller Lebensraum. 18 LBV MAGAZIN 3|23

LBV MAGAZIN 3|23 19 FOTO: EVA SCHUBERT Bayerns Bächen geht es schlecht. Nur rund 19 Prozent der Fließgewässer sind aktuell in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Daher wird der Freistaat voraussichtlich die Zielvorgabe der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, bis 2027 alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen, krachend verfehlen. Aufgrund des zu erwartenden Verstoßes gegen EU-Recht ist ab 2027 mit einem teuren Vertragsverletzungsverfahren zu rechnen. Bayern muss daher ab sofort seine Bemühungen für die ökologische Qualität seiner Gewässer massiv ausweiten! Gerade unsere kleinen Bäche brauchen dringend mehr Aufmerksamkeit der Politik. Der LBV fordert bis 2028 entlang von mindestens 10.000 Kilometern Bachlauf die Struktur der bayerischen Bäche und ihrer Auen zu verbessern. Dies würde die Biodiversität erhöhen sowie die Hochwasservorsorge und die Wasserspeicherung im Kampf gegen die zunehmende Trockenheit fördern. Schon kleine Schritte wie die geschickte Einbringung von Störsteinen oder Gehölzpflanzungen im Uferbereich tun Bayerns Bächen gut und wirken sich auch auf angrenzende Bereiche positiv aus. In der Klimakrise sind viele Bachtiere im Sommer auf Kühlung angewiesen. So kann bereits ein längerer, mindestens einseitiger Gehölzsaum die dringend nötige Beschattung bieten. Bei einer Breite von mindestens zehn Metern und sehr extensiver Nutzung leisten strukturreiche Gewässerrandstreifen auch zum Biotopverbund und zur Reinhaltung der Bäche einen wichtigen Beitrag: Zwischen den Pflanzen tummeln sich Insekten, Dünger und Pestizide werden besser zurückgehalten. In einem schnurgeraden Bach lenken ein wirksam platzierter Störstein oder eine Pfahlbuhne, das ist eine kurze, geschlossene Reihe von Holzpfählen, die Strömung zum gegenüberliegenden Ufer. Dadurch fließt das Wasser dort schneller und Uferanbrüche, Ausbuchtungen und sogar neue Bachkurven können entstehen. Je höher die Vielfalt der Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefen in einem Bach ist, desto größer kann die Anzahl verschiedener Teillebensräume und daran angepasster Arten werden. Zu einer naturnahen Gewässerstruktur gehört immer auch die Aue. Wenn Bäche genug Platz haben, dann können sie bei Starkregen über die Ufer treten und das Hochwasser wird länger in der Fläche zurückgehalten. Siedlungen bachabwärts bleiben besser vor Schäden geschützt und mehr Wasser kann für die Grundwasserneubildung versickern. Ein erheblicher Handlungsbedarf besteht auch bei dem Schutz und Erhalt natürlicher Quellen und der ökologischen Optimierung beeinträchtigter Quellstandorte. Denn neben menschlicher Beeinflussung bringt die Niederschlagsarmut auch diese gefährdeten Biotope zunehmend in Bedrängnis. Der LBV ist seit fast 30 Jahren im Quellschutz aktiv, auf seine Initiative hin konnten mittlerweile weit über 100 Quellen renaturiert werden. In Bayern sind die Kommunen für die kleinen Bäche und Quellen verantwortlich, fühlen sich damit jedoch oft allein gelassen. Um die dringend nötige Unterstützung der Kommunen sicherzustellen, wird erheblich mehr Personal in den zuständigen Behörden benötigt. Außerdem ist eine Vereinfachung der Beantragung von Fördermitteln notwendig. Hilfe bietet eine Praxisbroschüre für Gemeindevertreter, die im LBV-Projekt „Lebendige Bäche in Bayern“ erstellt wurde. Sie erleichtert den Einstieg in die Renaturierung von Bächen und ist beim LBV gedruckt oder als PDF kostenfrei erhältlich unter: lbv.de/lebendige-baeche. Geben wir den Bächen ihre begleitenden Gehölze zurück – ein Segen in den heißen Monaten. MALVINA HOPPE Projektmanagerin AHP Feuersalamander in Bayern, Referat Landschaftspflege, Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein E-Mail: malvina.hoppe@lbv.de

T H EMA FOTOS: ANDINSPIRIERT - STOCK.ADOBE.COM, HANS-JOACHIM FÜNFSTÜCK Ski-Subventionen Schluss mit den In Bayern wird die Modernisierung von Skigebieten mit Steuergeldern bezahlt. Skigebiete zu fördern und damit die Zerstörung letzter naturnaher Lebensräume in den Alpen voranzutreiben, ist eine Absurdität inmitten der Klimakrise. Skipistenbau: ein extremer Eingriff in die Natur. Keine Steuergelder für die Naturzerstörung in den Alpen 20 LBV MAGAZIN 3|23 Eine Kunstschneepiste wie man sie in Bayern häufig findet, hier an der Stümpfling Sesselbahn am Spitzingsee.

LBV MAGAZIN 3|23 21 FOTOS: MICHAEL SCHÖDL (4) In Bayern gibt es 267 Skigebiete mit 834 Kilometer Piste, die durch 662 Lifte erschlossen sind. Die meisten Skigebiete sind klein und haben Anspruch auf eine Subvention durch die Seilbahnförderrichtlinie. Damit werden Modernisierungsvorhaben mit bis zu 35 Prozent der Kosten bezuschusst. Dazu gehört zum Beispiel auch die Errichtung von Beschneiungsanlagen. Aktuell sind neun Anlagen in Planung. Seit 2009 wurden 46 Investitionsvorhaben mit 91,1 Millionen Euro über die Seilbahnrichtlinie gefördert. Kann es sich die Gesellschaft heute noch leisten, dafür Geld auszugeben? Aktuell zeigt sich am Jenner, dass das trotz massiver Förderung keine Zukunftsperspektiven für unsere Alpen sind. MICHAEL SCHÖDL LBV-Alpenreferent E-Mail: michael.schoedl@lbv.de Das sind die Folgen dieser Nutzung von Steuergeldern 1. Weitere Erhöhung der Besucherkapazitäten in den Skigebieten Sommer wie Winter steigt der Freizeitdruck auf die Berge. Im Winter sind die meisten Skifahrerinnen und Skifahrer auf das Pistengebiet beschränkt, im Frühjahr und Sommer – der Brut- und Aufzuchtzeit der Alpentiere – verteilen sich immer mehr Menschen um die Bergstationen. Das führt zu mehr Störungen auf großer Fläche. Auch braucht es offenbar eine „Beschäftigungstherapie“ durch freizeitparkähnliche Bauten (damit man sich nicht gegenseitig auf den Füßen steht). Der Freizeitrummel nimmt zu. 2. Wachsender Flächenverbrauch Eine Modernisierung von Skianlagen bedeutet meist Neubau, d.h. die alten Trassen und Stützen werden verändert. Vor allem aber die begleitende Infrastruktur wie Speicherteiche, Schneileitungen und Funparks verbrauchen wertvolle Fläche. 3. Gestörter Wasserhaushalt Statt Wasser im Winter in Speicherbecken zu pumpen oder als Schnee zu verrieseln, sollte es in den Bächen verbleiben und die Flora und Fauna im Tal erreichen. Pistenveränderungen und der Einbau der Schneileitungen verändern die ursprünglichen unterirdischen Wasserabläufe. Speicherteiche sind aufgrund ihrer Bewirtschaftung außerdem Fallen für Amphibien. 4. Energieverschwendung Die Anlagen zur Schneeerzeugung brauchen viel Energie. Man macht also Schnee, weil es aufgrund der Klimaerwärmung weniger gibt, und heizt damit wiederum das Klima weiter auf. Und das nur, um auf einem weißen Band in sonst schneeloser Landschaft ins Tal zu fahren.

FOTO: OLIVER WITTIG P O L I T I K Die Auswirkungen der Gesetzesänderungen zur Beschleunigung der Energiewende Hat der Artenschutz noch eine Überlebenschance? Mit den Anfang Juli 2022 beschlossenen Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes müssen die Bundesländer zukünftig ca. 2 Prozent ihrer Landesfläche für die Windenergie bereitstellen. In Bayern werden das 1,8 Prozent sein. Der ungestörte Bau solcher Anlagen droht künftig Vorrang vor dem Artenschutz zu bekommen. Wir setzen uns deshalb für eine naturverträgliche Energiewende ein. Windkraftanlagen in einem Waldgebiet in Oberfranken nahe Weismain bei Seubersdorf. 22 LBV MAGAZIN 3|23

LBV MAGAZIN 3|23 23 FOTO: MARKUS GLÄSSEL DR. ANDREAS VON LINDEINER Landesfachbeauftragter Naturschutz, Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein E-Mail: andreas.von.lindeiner@lbv.de Zum Jahreswechsel trat auf Initiative der Bundesregierung eine EUNotverordnung in Kraft, die festlegt, dass die Planung, der Bau und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie samt der dazugehörigen Infrastruktur im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Damit ist regelmäßig den erneuerbaren Energien der Vorrang insbesondere gegenüber den Schutzbestimmungen der Fauna-Flora-Habitat (FFH)- und der Vogelschutz-Richtlinie einzuräumen. Auf die Umweltverträglichkeitsprüfung kann ganz verzichtet werden, wenn die betroffenen Anlagen innerhalb besonders ausgewiesener Vorranggebiete für erneuerbare Energien stehen. Es muss zwar bei ihrer Ausweisung eine strategische Umweltprüfung durchgeführt werden, wobei nach derzeitigem Stand aber keine verbindliche Artenschutzprüfung vorgegeben ist. Daher werden Anlagenbetreibende in den meisten Fällen künftig wohl nur einen finanziellen Ausgleich leisten müssen, der Artenschutzprogrammen zugutekommt. Ein großes Problem ist, dass in Bayern das Steuerungsinstrument der Regionalplanung geschwächt wird. Kommunen sollen nämlich auch dann Flächen für Windenergie ausweisen können, wenn die regionalen Planungen in ihrem Gebiet keine Windkraftflächen vorsehen. Das öffnet einem planerischen Wildwuchs Tür und Tor. Zudem zeichnet sich ab, dass der eigentlich wünschenswerte regionale Planungsansatz mit klaren, allgemein verbindlichen Leitplanken, so nicht umgesetzt werden kann. Die regionalen Planungsverbände wollen vielmehr die Festlegung der Vorranggebiete so schnell wie möglich abschließen. Hier kommt Schnelligkeit vor Qualität und Sorgfalt. Die von der Bundesregierung vorgegebenen Fristen würden durchaus eine Mehrstufigkeit der Flächenauswahl auf Basis belastbarer Daten zu Vögeln und Fledermäusen zulassen. Doch das neue Gesetz begnügt sich mit bereits vorhandenen, oft lückenhaften Daten zur Beurteilung der Standorteignung, was der Verantwortung für die betroffenen Arten nicht gerecht wird. Bayerischer Vorstoß wirkungslos Man könnte meinen, dass in dieser Situation der Beschluss des Bayerischen Landtags vom April 2023 auf Antrag von CSU und Freie Wähler, „Artenschutz und Klimaschutz miteinander versöhnen und nicht gegeneinander ausspielen“, Abhilfe leisten kann. Darin wird die Staatsregierung aufgefordert, „im Sinne eines schnellen und naturverträglichen Ausbaus der Windenergie in Bayern im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel für alle kollisionsgefährdeten Brutvogelarten ein fachlich fundiertes, flächendeckendes Monitoring aufzubauen und in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Dabei sind neben den Brutplätzen insbesondere auch Populationsgrößen, Bestandsentwicklungen, Fortpflanzungsraten, Wanderbewegungen und Gefährdungsfaktoren zu ermitteln und zu bewerten.“ Das hört sich gut an, denn wenn man Arten in einen günstigen Erhaltungszustand bringen will, muss man die im Antrag aufgelisteten Kriterien (Parameter) kennen. Dazu gehören auch Kenntnisse über den Ausgangsbestand, der aber wiederum nicht erhoben werden soll. Der Beschluss des Landtags kann insofern nur als unrealistisch bezeichnet werden, zumal das zuständige Landesamt für Umwelt dafür keine zusätzlichen Mittel bekommen soll. Nationale Artenhilfsprogramme Um die möglichen Auswirkungen des Ausbaus regenerativer Energien auf kollisionsgefährdete bzw. störungsanfällige Vogelarten auszugleichen, sollen nationale Artenhilfsprogramme (nAHP) lokale oder auch regionale Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien reduzieren oder auch kompensieren. Allerdings fehlt selbst nach mehr als einem Jahr weiterhin eine Förderrichtlinie für die nAHP. Die vorgesehenen Gelder werden wohl nicht zeitnah in der Fläche ankommen, zumal das Bundesumweltministerium das jährliche Budget für die nAHP fast zu halbieren plant. Auch bei der Photovoltaik sind naturschutzfachliche Vorgaben einzuhalten. Entscheidend bei möglichen Erleichterungen für den Bau von PV-Anlagen ist für uns die Frage, ob auch künftig sensible Flächen wie Wiesenbrütergebiete, Schutzgebiete und gesetzlich geschützte Biotope, wie zum Beispiel Flachlandmähwiesen, hiervon eindeutig ausgenommen sind. Nachdem aber PV-Anlagen auf Moor- und neuerdings auch auf Stilllegungsflächen errichtet werden können, darf man da nicht sicher sein. Einheitliche Vorranggebiete für ganz Bayern Statt unsystematischer Schnellschüsse aus Berlin, Brüssel und München fordert der LBV für Bayern die zügige Ausweisung von Vorranggebieten für Wind- und Sonnenkraft. Wenn diese Gebiete auf Belange des Naturschutzes überprüft wurden, kann hier ein konzentrierter, zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien stattfinden, sogar ohne Einzelfallprüfung. Der Rest der Landesfläche kann und sollte dann frei von Anlagen bleiben. So gelingen Klima- und Artenschutz Hand in Hand – nur das ist eine nachhaltige Zukunftsperspektive für Bayern. Der Schutz von Arten wie dem Rotmilan und der Klimaschutz müssen zusammen gedacht werden.

FOTOS: SABINE PRÖLS (2), ZDENEK TUNKA S C HU T Z G E B I E T Die solarbetriebene Gelegeschutzzäunung schützt Wiesenbrüter vor Fuchs und Marder. Das Braunkehlchen nutzt stehengebliebene Stängel als Singwarte. Nahe der österreichischen Grenze bei Laufen wartet Melanie Tiefenthaler, ehrenamtliche Gebietsbetreuerin und Schriftführerin der Kreisgruppe Berchtesgadener Land auf die Rückkehr der Braunkehlchen. Dort, im etwa 400 Hektar großen Niedermoorgebiet Haarmoos, findet sich alljährlich der kleine, vom Aussterben bedrohte Wiesenbrüter zur Brut ein. Und tatsächlich zeigt sich ein singendes Männchen auf der seit ein paar Jahren während der Brutzeit aufgestellten Gelegeschutzzäunung. In den Streuwiesen blühen Kuckuckslichtnelke, Wiesenknöterich und das Breitblättrige Knabenkraut. Bereits Ende der Achtziger Jahre erwarben die LBVKreisgruppen Traunstein und Berchtesgadener Land Streuwiesen in dem heutigen Natura 2000-Gebiet für den Naturschutz. Heute gehören dem LBV im Haarmoos über 50 Hektar Fläche. Da damals der lokale Bestand des Großen Brachvogels auf nur vier Brutpaare zurückgegangen war, wurden auf den LBV-Flächen erste landwirtschaftliche Förderprogramme erprobt. Der Landwirt Hans Hofmeister arbeitete bereits früh mit dem LBV zusammen und wurde damals von seinen Kollegen schon mal verlacht. Heute machen viele bei den staatlichen Programmen wie dem Vertragsnaturschutzprogramm mit. Mittlerweile ist die Mahd mit Frühmahdstreifen und verschiedenen Mähterminen fein auf die Bedürfnisse der Wiesenbrüter, aber auch des Wiesenknopf-Ameisenbläulings 24 LBV MAGAZIN 3|23 Dank der engen Zusammenarbeit von LBV, Behörden und Landwirtinnen und Landwirten sowie einem effektiven Management ist das Haarmoos bis heute ein wichtiges Feuchtgebiet für bedrohte Vogelarten geblieben. Wertvolles Wiesenbrütergebiet im Süden Bayerns Gemeinsam für Braunkehlchen und Brachvogel

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