VOGELSCHUTZ_4_17

Ackerwildkräuter und Blumenwiesen verschwinden derzeit in einem atemberaubenden Tempo aus unserer Landschaft. Gleiches gilt für Insekten. Dies zeigten nicht zuletzt die Er- gebnisse langjähriger Monitoringarbeiten des Krefelder En- tomologischen Vereins, die selbst international viel Aufmerk- samkeit erregten, und zuletzt von einer in der internationalen Online-Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichten Studie bestätigt wurden. Danach nahm die Biomasse von mit stan- dardisierten Methoden in einem Naturschutzgebiet gefange- nen Insekten innerhalb von 24 Jahren um 78 Prozent ab. Diese Ergebnisse wurden an gut einem Dutzend anderer Standorte bestätigt. Aber nicht nur die Masse, sondern auch die Artenvielfalt ging im Untersuchungszeitraum zurück. So verringerte sich beispielsweise die Anzahl der festgestellten Schwebfliegenarten von 143 auf 104. Blumen und Insekten sollten nicht nur in Schutzgebieten vorkommen. Es muss sie auch in der sogenannten Normallandschaft geben, denn sie spielen eine entscheidende Rolle im gesamten Ökosys- Der Artenschwund in unserer Kulturlandschaft hat in den letzten Jahrzehnten rasant zugenommen. Dazu hat auch beigetragen, dass an den Rändern von Wegen, Feldern und Wäldern immer mehr Säume durch die industrielle Landwirtschaft verschwinden. tem. So sind Schwebfliegen sehr wichtige Bestäuber vieler Nutzpflanzenarten. Ebenso die Bienen. Imker haben schon gewarnt: Wenn die Honigbienenvölker weiter in dem Tem- po abnehmen, bekommen wir auch ernsthafte ökonomische Probleme, weil beispielsweise Obstbäume und Raps nicht mehr ausreichend bestäubt werden können. Vögel verschwinden aus der Normallandschaft Als Hauptverursacher der dramatischen Rückgänge bei Pflanzen und Insekten gilt die Intensivierung der Landbewirt- schaftung. Sie bringt auch viele Vogelarten in Bedrängnis. Eine der besonders stark betroffenen Arten ist das Rebhuhn, für dessen Bestandsrückgang im Wesentlichen drei Ursa- chen festgestellt wurden: der Verlust an Brutplätzen (He- cken, Feldraine, Brachen), der Einsatz von Herbiziden, der die Häufigkeit und Artenzahl von Ackerwildkräutern in den Feldern und damit indirekt die Insektendichten verringert, und angestiegene Prädation in strukturell verarmten Land- schaften. Füchse und Rebhühner treffen heute mit höherer Wahrscheinlichkeit aufeinander, da sie die gleichen, wenigen Extensivstrukturen in der Landschaft aufsuchen. Schaffung Ökologischer Vorrangflächen Es gibt gleichwohl durchaus Erfolg versprechende und er- probte Ansätze, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. So hat sich insbesondere die Bereitstellung Ökologischer Vor- rangflächen (ÖVF) bei fachlich korrekter Umsetzung als vor- teilhaft erwiesen. Dazu zählen beispielsweise Brachflächen, Blühstreifen und ungenutzte oder nur extensiv genutzte Ge- wässerrandstreifen. Was muss in der Landschaft passieren? Eigentlich sollte das sogenannte Greening der EU-Agrar- förderung einen wesentlichen Beitrag zum Stopp des Rück- gangs von Landschaftselementen leisten. „Die Erwartungen an das Greening werden nach gegenwärtigem Kenntnis- stand nicht erfüllt: Die Ökologischen Vorrangflächen entfal- ten kaum Mehrwert für die Biodiversität und gestalten sich in hohem Maße ineffizient“, stellt das Bundesamt für Natur- schutz in seinem Agrar-Report vom Juni 2017 fest. Aus Sicht des Naturschutzes dürfen Ökologi- sche Vorrangflächen nur diejenigen Flächen- typen sein, die einen tatsächlichen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie zum Wasser-, Klima- und Bodenschutz leis- ten. Spätestens in der nächsten Agrarförder- periode ab 2020 müssen die Weichen ent- sprechend gestellt werden, denn wenn nicht bald wirkungsvolle Instrumente zum Tragen kommen, werden wir uns wohl in weiten Landstrichen auf Dauer von Arten wie Reb- huhn, Schwalbenschwanz oder Venusspiegel verabschieden müssen. Fotos: Dr. Eberhard Pfeuffer, Bernd Raab, Birgit Helbig (5) Rahmenbedingungen für die Anlage und Pflege überle- benswichtiger Landschaftselemente für viele Arten der Kulturlandschaft: n n n n n n n n DR. ANDREAS VON LINDEINER LBV-Referatsleiter Artenschutz Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein E-Mail: andreas.von.lindeiner@lbv.de 4 I 17 VOGELSCHUTZ 33 Der Umfang von Ökologischen Vorrangflächen sollte mindestens sieben bis zehn Prozent der Ackerfläche eines landwirtschaftlichen Betriebes einnehmen. Die ideale Standzeit von Brach- und Blühflächen be- trägt fünf bis sieben Jahre. Streifenförmige Vorrangflächen sollten eine Breite von mindestens fünf Metern aufweisen, um den verschie- denen Insekten- und Vogelarten ausreichend Lebens- raum zu bieten. Die Rand- und Saumstreifen sollten mit größeren flä- chigen Vorrangflächen in der Landschaft zu einem Ver- bund entwickelt werden. Vorrangflächen dürfen nicht mit Pflanzenschutzmitteln und Düngern behandelt werden. Bei jedem Schnitt sind mindestens 10 Prozent, besser 30 Prozent, als ungemähte Rückzugsfläche (Puffer-, Randstreifen und Stilllegungsflächen) zu erhalten. Blühflächen, Säume und (Bunt-)Brachen sollten gestaf- felt bewirtschaftet werden, das heißt alternierend wird einmal jährlich die Hälfte des Saums gemäht. Um einer Nährstoffanreicherung des Bodens entge- genzuwirken, muss das Mahdgut immer abtransportiert werden.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDEzNzE=