VOGELSCHUTZ_4_17

4 I 17 VOGELSCHUTZ 15 Stare kommen fast überall in Europa vor. Ganz im Norden verlassen alle Tiere ihre Brutgebiete und ziehen nach Mittel- europa. In Großbritannien und Irland hingegen gelten sie als Standvögel. Die hierzulande beheimateten Tiere werden als Kurz- oder Mittelstreckenzieher bezeichnet. Im Frühherbst bis Ende November sammeln sie sich zu Hunderten auf den Äs- ten von Sammelbäumen. Tagelang kommen die Stare in klei- neren und größeren Trupps aus allen Richtungen angeflogen, um sich mit der großen Masse zu vereinen. Manchmal sitzen sie so dicht auf einemAst, dass dieser sich unter dem Gewicht sogar gefährlich biegt. Und irgendwann heißt es dann Abflug Richtung Süden. In riesigen Schwärmen ziehen sie, je nach geographischer Lage, bis zu 2.000 km in den Mittelmeerraum, nach Nordwestafrika oder nach Westeuropa an den Atlantik. Das jeweilige Klima im Brutgebiet spielt also eine ganz ent- scheidende Rolle für das Zugverhalten der Stare. Viele Tiere, die bei uns im Winter gesichtet werden, sind übrigens Zu- zügler aus Nordeuropa. Sie verbringen den Winter in Bayern oder reagieren wie unsere „Daheimgebliebenen“ spontan auf Kälteeinbrüche. Droht Nahrungsmangel wegen schlechten Wetters, Dauerniederschläge oder Frost, ziehen die Tiere ein Stück weiter Richtung Süden oder Westen, bis das Wetter besser wird und die Aussicht auf Nahrung vielversprechend scheint. Der Star bei der Stunde der Wintervögel 2015 war ein absolutes Star-Rekordjahr. „Der Star ist der Star und bleibt lieber da“, hieß es vor knapp drei Jahren bei der LBV-Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“. Er belegte damals sogar Platz 22 unter den Wintergästen. In den Land- kreisen Bad Tölz/Wolfratshausen und Miesbach schaffte es der Star sogar in die Top Ten. Noch nie zuvor wurden bei der Bürgerforscheraktion so viele überwinternde Stare in Bayern gezählt. Das Folgejahr gingen die Meldezahlen zwar wieder etwas nach unten, lagen aber immer noch weit über den Vor- jahren. 2017 dann der erneute Sprung in die Top 30 der meist- gezählten Wintervögel Bayerns. Der Trend setzt sich also fort. Es werden im Winter immer mehr Stare bei uns gezählt. Zugvögel sind wichtige Anzeiger von Umweltveränderungen wie die Klimaerwärmung. Um ein Grad sind die Jahresmittel- werte der globalen Lufttemperatur seit Beginn der Temperatur- aufzeichnungen von 1880 bereits gestiegen. Wissenschaftler schätzen sogar, dass bis zum Jahr 2100 die Durchschnitts- temperaturen noch um bis zu vier Grad steigen könnten. Die aktuelle Entwicklung ist derart rasant, dass sie unsere Tier- und Pflanzenarten oder ganze Ökosysteme massiv verändert und bedroht. Der Frühling beginnt heute früher als noch vor wenigen Jahren, der Winter später und mancherorts bleibt er sogar ganz aus. Dauerfrost und geschlossene Schneedecken werden zu spannenden Märchen für unsere Kinder. Und wei- ße Weihnachten ist auch in den bayerischen Alpen nicht mehr gewiss. Das ist der Grund, warum viel mehr Stare hierbleiben können. Sie finden im Brutgebiet noch lange genügend Nah- rung auch ohne Fütterung und sparen sich den weiten und ge- fährlichen Weg in den Süden immer häufiger ganz. Kommt der Winter dann doch noch mit Verspätung nach Bayern, reagie- ren die getupften Multitalente eben spontan und weichen aus. ƒ Ob altes Fallobst oder Vogelfütterung: Findet der Star ausreichend Nahrung, verzichtet er immer häufiger ganz auf den Flug gen Süden oder Westen. „ Bekanntes Bild: Stare sammeln sich in großen Grup- pen von 100 und mehr Tieren zum bevorstehenden Abflug. ERGEBNISSE DES STARES BEI DER STUNDE DER WINTERVÖGEL  Jahr  Platz   Anzahl Stare Vögel insg. Teilnehmer 2017 28 2.474 648.293 27.612 2016 32 1.691 714.671 26.579 2015 22 4.759 553.035 21.758 2014 34 971 462.099 19.073 2013 34 1.203 695.332 22.961 2012 33 1.068 452.893 16.289 MARTINA GEHRET Dipl. Ing. Forstwirtschaft Referat Artenschutz LBV-Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein E-Mail: martina.gehret@lbv.de Machen Sie bitte auch dieses Jahr wie- der mit: Vom 05.- 07. Januar 2018 findet die Stunde der Wintervögel statt. Die Mitmachaktion kann auch darüber Auf- schluss geben, wie sich typische Zug- vögel in einem milden Winter verhalten. Eine einmalige Bestandsaufnahme reicht nicht aus. Nur die Datensammlung über viele Jahre hinweg zeigt uns eindeutige Trends. Und der Star ist ein Beispiel von vielen, wie sich das Verhalten unserer Vögel dem Klima anpasst. Fotos: Ralph Sturm, Birgit Helbig, Zdenek Tunka WIE VIELE STARE BLEIBEN?

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